Ein Jahr Sanktionen

Darum geht es Russland besser als dem Westen

Durch den Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen hat der Westen die Preise für russische Energieprodukte auf den internationalen Märkten nach oben getrieben, wodurch Russland heute besser als vor Beginn des Krieges daran verdient.

/
/
2 Minuten Lesezeit
Darum geht es Russland besser als dem Westen
Putin© Kremlin.ru, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Katerstimmung bei den europäischen Ökonomen: elf Monate nach Verhängung massiver Sanktionen gegen Russland zeichnet sich ab, dass die Boykottmaßnahmen weitgehend erfolglos verpufft sind. Und: Russland steht heute ökonomisch besser da als die meisten westeuropäischen Volkswirtschaften.

„Westen hat sich selbst ins Knie geschossen“

Der deutsche Unternehmer und Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart zieht jetzt in seinem „Morning Briefing“ eine außerordentlich kritische Bilanz der westlichen Maßnahmen – und attestiert Russland erhebliche Widerstandskräfte.

Ins Knie geschossen hat sich der Westen in erster Linie selbst. Denn durch seinen Boykott russischer Öl- und Gaslieferungen hat er die Preise für russische Energieprodukte auf den internationalen Märkten nach oben getrieben. Die Folge: Russland verdient heute mit seinen Öl- und Gasexporten besser als vor Beginn des Krieges. Moskau kann sich über einen kräftigen Exportüberschuss freuen.

Und: „Kaum hatte der Westen seine Öl- und Gasbezüge eingestellt, sprangen neue Abnehmer ein“, kommentiert Steingart. Laut Bloomberg fließen rund 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag an die Türkei, China, Indien und viele afrikanische Staaten. Auch Europa hat es bis heute nicht geschafft, ohne russisches Gas auszukommen.

Russisches Finanzsystem nicht zusammengebrochen

Eine weitere Folge: das russische Finanzsystem ist nicht zusammengebrochen, obwohl es aus dem Internationalen Zahlungsverkehr SWIFT ausgeschlossen wurde. „Im Verlauf des Krieges wurde der Dollar gegenüber dem Rubel sogar schwächer – die russische Währung notiert derzeit rund 9,6 Prozent über dem Vorkriegsniveau“, stellt Steingart fest.

Zwar erlebt auch die russische Wirtschaft derzeit einen Einbruch – wie der Westen. Aber: laut aktuellen Prognosen des Weltwährungsfonds (IWF) wird die russische Volkswirtschaft nun wieder wachsen, zunächst um 0,3 Prozent im Jahr 2023, dann deutlich stärker im Jahr 2024. Russlands Ex-Finanzminister Sergej Alexaschenko erklärte dazu: 2023 werde „ein schwieriges Jahr“ für die russische Wirtschaft, aber kein Zusammenbruch.

Chinesische Firmen füllen Lücken

Auch die Abwanderung westlicher Unternehmen aus Russland hat nicht zu den prognostizierten Folgen geführt. Erstens, weil entgegen allen Ankündigungen unter dem Strich nur ein kleiner Teil der in Russland investierten westlichen Unternehmen seine Ankündigung wahrgemacht und sich tatsächlich vom russischen Markt zurückgezogen hat. Wirtschaftsexperten brachten unlängst eine Größenordnung von neun Prozent ins Spiel. Und zweitens, weil Anbieter aus Asien schnell in die Lücke nachgestoßen sind und den Platz der westlichen Firmen eingenommen haben.

So haben sich zwar Apple und Samsung aus Russland zurückgezogen, „die Lücke füllen aber inzwischen chinesische Hersteller wie Xiaomi, Realme und Honor“, schreibt Steingart. Dasselbe gelte für Waschmaschinen und Industriegüter, wo Produkte aus der Türkei und vor allem China umso zahlreicher in die Russische Föderation geliefert werden. „Insgesamt erreichten die chinesischen Exporte nach Russland im Dezember ein Rekordhoch und trugen dazu bei, den starken Rückgang im Handel mit Europa auszugleichen.“

Steingarts Fazit: „Die unsichtbare Hand des Marktes lässt sich nicht fesseln, wie wir am Beispiel Russlands sehen.“ Der Westen hat sich selbst eine Falle gestellt – und ist prompt hineingetappt.