ChatGPT schnappt Anwalt Mandanten weg

Künstliche Intelligenz wird auch die Rechtsberatung verändern. Das Sprachmodell ChatGPT setzt Anwälte zunehmend unter Druck.

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ChatGPT schnappt Anwalt Mandanten weg
ChagGPT wird mittlerweile in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt© IMAGO / Michael Gstettenbauer

Düsseldorf. - Der Rechtsberatungsmarkt befindet sich im Wandel. Alternative Geschäftsmodelle haben an Bedeutung gewonnen, darunter Legal Process Outsourcing-Gesellschaften, Legal Services Provider, Online-Rechtsdienstleister und Legal Tech-Unternehmen, die insbesondere im B2C-Bereich neue, auf wiederholbares Massengeschäft zugeschnittene Dienstleistungen anbieten. Die klassische Anwaltskanzlei gerät unter Druck, auch weil immer weniger Juristen den Anwaltsberuf ergreifen und immer weniger Anwälte dem Anwaltsberuf treu bleiben.

Hier setzt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) durch Anwälte an. KI-basierte Lösungen im Rechtsbereich wie Watson, Kira und neuerdings Harvey können bestimmte Informationen in Textdokumenten erkennen, verstehen und verarbeiten oder anwendbares Recht und relevante Gerichtsurteile finden. Dadurch können Anwälte Verträge und andere Dokumente effizienter prüfen und rechtliche Probleme schneller lösen.

Erstellung juristischer Texte

All dies sei jedoch nichts gegen das jüngste Aufkommen von Large Language Models (LLM) mit Namen wie ChatGPT, Bing, Bard, Claude oder Llama, so der Digitalexperte Tobias Neufeld in seinem Beitrag für das Handelsblatt. Dabei handelt es sich um KI-Modelle, die speziell für die Verarbeitung natürlicher Sprache entwickelt wurden. Sie werden eingesetzt, um menschliche Texteingaben zu verstehen, Übersetzungen anzufertigen, Fragen zu beantworten und menschenähnliche Texte zu erzeugen, einschließlich juristischer Schriftsätze, Verträge und Briefe.

Ihre Funktionsweise beruht auf einer Kombination von Techniken des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, insbesondere auf Deep Learning und neuronalen Netzen. Sie sind in der Lage, lange Wortfolgen unter Berücksichtigung von Kontexten zu verarbeiten. Ein LLM wird anhand großer Textmengen trainiert und lernt, Muster in den Daten zu erkennen, einschließlich der Sprachstruktur, grammatikalischer Regeln und thematischer Zusammenhänge.

Dies ist auch die wesentliche Einschränkung der Modelle. Sie „verstehen“ die Texte und ihre Bedeutung nicht, sondern liefern ihre Analyse und Ausgabe auf der Basis von statistischen Mustern und Wahrscheinlichkeiten von Wortkombinationen, die sie während des Trainings gelernt haben. Die Qualität der Trainingsdaten bestimmt in hohem Maße das Ergebnis. Die großen kommerziellen juristischen Datenbanken in Deutschland stehen dem LLM noch nicht als Quelle zur Verfügung. Für die Bewältigung juristischer Aufgaben sind sie aber ausreichend.


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ChatGPT schnappt Anwalt Mandant weg

Für Aufsehen sorgte kürzlich der Fall eines österreichischen Rechtsanwalts, der den Auftrag hatte, ein englisches Vertragswerk zu übersetzen und an das österreichische Recht anzupassen. Noch bevor der Anwalt mit der Arbeit beginnen konnte, schickte der Mandant das Arbeitsergebnis, vorbildlich erledigt mit ChatGPT.

Tom Braegelmann, Experte für KI in Anwaltskanzleien, meint sogar: „Die heutigen LLMs können alle Juristendeutsch simulieren und werden deshalb längst zur Vertragsgestaltung und Rechtsprüfung eingesetzt, auf Gedeih und Verderb, aber mit Erfolg: Es muss nur besser sein als Google, nicht besser als ein Anwalt. Das außergerichtliche Rechtsberatungsmonopol der Anwaltschaft ist damit faktisch aufgehoben.“ Andere sehen bereits wissenschaftliche Mitarbeiter und Referendare durch LLMs ersetzt. Sie ersetzen aber nicht den Rechtsanwalt. Weder können sie den rechtlich relevanten Sachverhalt erfassen, noch selbst die richtigen Fragen stellen. Vor allem aber können sie nicht selbst erkennen, ob die Informationen, mit denen sie zu einem Ergebnis kommen, richtig, vollständig und stimmig sind.