Eigentum und Rechtes Lager – Zeit für ein Umdenken

Das Eigentum spielt im politischen Kosmos der Rechten eine große Rolle. Zu Unrecht, meint der stellvertretende FREILICH-Chefredakteur Bruno Wolters. Um im 21. Jahrhundert mit den sich ständig verändernden politischen Verhältnissen und dem woken Regenbogenkapitalismus erfolgreich umgehen zu können, muss Eigentum anders gedacht werden.

Kommentar von
9.7.2023
/
5 Minuten Lesezeit
Eigentum und Rechtes Lager – Zeit für ein Umdenken

Eigentum und Ordnung

© Jungeuropa

Bis vor kurzem waren die ökonomischen und politischen Leitplanken fest im Unterbewusstsein der Deutschen verankert: Während die Linke die bürgerliche Eigentumsordnung ablehnte und abschaffen wollte, verteidigte die Rechte eben jene Ordnung. Kurz: Wer für Eigentum war, wählte oft eine nicht-linke Partei. Dieses Schema gilt für viele Akteure auch noch im 21. Jahrhundert und wird oft nicht aufgegeben. Vor allem in den aktuellen Diskussionen um Ampelpolitik, die fast an Enteignungspolitik erinnert, scheint dieses Schema aktueller denn je. Die Grünen wollen das Eigentum abschaffen, die Rechten verteidigen es!

Dieser einfache Kurzschluss ist jedoch falsch. Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die gegenwärtigen Regierungen – nicht nur in Deutschland – eine eher eigentumsfeindliche Politik betreiben. Wichtig ist aber eine Differenzierung und eine genauere Betrachtung der angesprochenen Politik. Wessen Eigentum wird von wem mit welchen Begründungen und Sachzwängen angegriffen oder aufgelöst? Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass es hier nicht um eine pauschale Ablehnung des Eigentums geht, sondern um einen ganz bestimmten materiellen Umbau unserer Gesellschaft.

Denn schließlich greift die linksliberale Regierung unter Kanzler Scholz nicht grundsätzlich das Eigentum aller Deutschen an, sondern nur eine bestimmte Schicht leidet unter den immer größer werdenden Lasten des überbordenden Sozialstaates und des Regenbogenkapitalismus. Es ist vom Mittelstand die Rede, für den die deutschsprachigen Länder vor allem bekannt sind. Diese ehemals breite Schicht kommt durch Heizungsgesetze, Inflation und höheren Steuern und Abgaben immer weiter ins Schwitzen.

Das 20. Jahrhundert überwinden

Der Traum vom Eigenheim, das gebaut und vererbt werden kann, wird immer unwahrscheinlicher, weil die indirekte Enteignungspolitik durch Abgaben wie Grundsteuer und Erbschaftssteuer diesen materiellen Generationswechsel unbezahlbar macht. Mit anderen Worten: Der Aufbau eines bescheidenen Vermögens wird für viele Durchschnittsdeutsche immer schwieriger. Hier zeigt sich in der Tat die angesprochene eigentumsfeindliche Politik, deren Ziele auch in den oberen Etagen nicht mehr verschwiegen, sondern offen ausgesprochen werden, wenn vom Ende des Einfamilienhauses oder von Spitzenverdienern als Reichen die Rede ist.

Doch während die einen unter den Lasten ächzen, kann eine andere Gruppe immer freier und unregulierter agieren, teilweise sogar staatlich subventioniert und unterstützt – die Rede ist von den „Superreichen“, den multinationalen Konzernen, Finanzunternehmen, Banken und Stiftungen, die immer größer werden und immer mehr Vermögen auf sich konzentrieren können. Die Untersuchungen des Ökonomen Pikettys haben detailliert gezeigt, dass die Kluft zwischen dieser Gruppe und allen anderen seit Jahrzehnten immer größer wird.

Das Kapital arbeitet gegen uns

So hat Piketty in seinem 2014 in Deutschland erschienenen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ die Ungleichheit von Vermögen und Einkommen untersucht. Auf der Grundlage einer umfangreichen Datensammlung zeigte er die seit einigen Jahrzehnten wachsende soziale Ungleichheit in den westlichen Gesellschaften auf und versuchte, damit bestimmte Phänomene wie die Finanzkrise von 2008 zu erklären. In der wachsenden sozialen Ungleichheit sah Piketty eine Gefahr für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, da einerseits Vermögenskonzentration auch Machtkonzentration bedeute und andererseits ein durch große Armut eingeschränkter Konsum das Wirtschaftswachstum beeinträchtige.

Wir haben es also mit folgender Entwicklung zu tun: Die Mittelschicht wird unter extremen Druck gesetzt und ausgepresst, während ein sehr privilegierter Teil der (Welt-)Bevölkerung immer mehr besitzt – und dieser Umstand sorgt dafür, dass er noch weiter wächst. Denn wer schon viel besitzt, kann sein Vermögen noch leichter vermehren. Schwerreiche oder Konzerne können mit Krediten leichter neue Sachwerte aufkaufen und damit wachsen, während Familien aus der Mittelschicht diese Möglichkeiten nicht haben.

Noch problematischer wird diese Entwicklung, wenn zwischen diese Wirtschaftsriesen und die politischen Akteure kein Blatt Papier mehr passt und beide in die gleiche Richtung marschieren. Dieses Phänomen, das man sinnbildlich als Regenbogenkapitalismus bezeichnen kann, können wir in Europa und vor allem in Deutschland immer stärker beobachten, erkennbar an dem oft demonstrierten Gratismut im sogenannten „Pride Month“ oder an der Ankündigung mit stolzgeschwellter Brust, nun auch intern und im Umgang mit den Kundinnen und Kunden zu „gendern“!

Eigentum und Macht

Zu gut ist vielen noch die Aussage von Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser in Erinnerung, der noch vor wenigen Jahren die Vorteile der Masseneinwanderung für die Wirtschaft postulierte. Die obligatorischen Distanzierungen „gegen Rechts“, wenn ein Mitarbeiter vermeintlich „rechtsradikale Parolen“ von sich gibt, die sich dann aber als normale, auf gesundem Menschenverstand basierende Äußerungen herausstellen, seien an dieser Stelle nur am Rande erwähnt. Die Unternehmen profitieren selbstverständlich immer mehr von dieser Anbiederung an die Politik – manchmal macht man sich noch die Mühe, das als Lobbyismus zu bezeichnen, der Fall Graichen zeigte jedoch, dass man es mit einem neuen Stadium von Lobbyismus zu tun hat: Politische und wirtschaftliche Interessen werden immer öfter eins.

Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus dieser Entwicklung für das rechte und konservative Lager? Die oben beschriebene pauschale Ablehnung von Enteignung und die undifferenzierte Bejahung von Eigentum scheint ein Problem zu sein. Denn damit verschließt man sich möglichen Veränderungen der gegenwärtigen Verhältnisse und ermöglicht denen, die sie vorantreiben und von ihnen profitieren, nur ein „Weiter so!“.

Eine pauschale Absage an neue Perspektiven des Eigentumsdenkens kann daher nicht die Antwort auf die gegenwärtige Entwicklung sein, das heißt auf die ständig wachsende Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen weniger aus der wirtschaftlichen und politischen Elite. Im Gegenteil: Es ist ein neuer Blick auf das Thema Eigentum nötig, um aus der aktuellen Spirale herauszukommen.

Neue Denkwege wagen

Diese neue Sichtweise kann natürlich nicht in einer völligen Abkehr vom Eigentumsgedanken bestehen, denn damit würden sich viele andere konservative Leitideen, wie z.B. der Leistungsgedanke und das Erbe, als leere Versprechungen entpuppen – das eine Extrem kann das andere nicht ersetzen. Die Lösung liegt dazwischen und muss in offenen Debatten innerhalb des konservativen Lagers gefunden werden.

Denn auch jenseits der eben aufgezeigten Problematik der gegenwärtigen Eigentumsordnung, die eine Gruppe stark begünstigt, während sie die Masse benachteiligt, gibt es viele weitere inhaltliche Fragen zum Thema Eigentum, die im 21. Jahrhundert einer sinnvollen konservativen Antwort bedürfen und die mit dem materiell-industriegesellschaftlichen Eigentumsbegriff nicht mehr verstanden und gelöst werden können.

Die COVID-Krise hat gezeigt, dass Eigentum und Verfügungsgewalt über den eigenen Körper nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Die etablierten digitalen Megakonzerne führen uns täglich die offene Frage des Datenschutzes und die Bedeutung unserer im Netz hinterlegten Daten vor Augen. Patente und Urheberrechte werden immer wichtiger, manche Firmen wie ARM Limited wirtschaften ausschließlich mit ihren geistigen Eigentumsrechten. Hohe Mietpreise und Wohnungsknappheit zeigen den enormen Druck, der entsteht, wenn profitorientierte Konzerne in das Geschäft mit der Wohnungsknappheit einsteigen. Die Inflation seit 2022 zeigt, wie wichtig inflationssicheres Eigentum sein kann. Es wird sich zeigen, ob das Recht diese Probleme im Interesse des Volkes, des Einzelnen und des Staates angemessen lösen kann.

Mut zum Veränderungswillen

Ein „Weiter so!“ kann kaum die notwendige Lösung sein. Das konservative Lager braucht ein neues Konzept für die digitale Welt des 21. Jahrhunderts, in der die Gewissheit, dass die Gesetze des Marktes und des Eigentums schon irgendwie alles regeln werden und das letzte Wort über das Eigentum gesprochen ist, nicht mehr gilt. Im Gegenteil: Die angesprochene Logik, die noch auf Prämissen des 20. Jahrhunderts beruht, ist für linke Akteure und ihre Verbündeten oft Sprungbrett und Katalysator für Macht und ihre Projekte. Der Regenbogenkapitalismus, der linke Marsch durch die Institutionen und die hegemoniale Macht der Linken lassen sich nicht durch ein pauschales Festhalten an der Eigentumsordnung lösen.

Dafür ist es an erster Stelle nötig, die aktuelle Eigentumsordnung als eine politisch gesetzte Ordnung zu verstehen – sie wird als Norm akzeptiert und als Normalität angesehen, sie dominiert die Vorstellungswelt und schafft sich eine eigene Legitimation mit Verweisen auf Naturrechte und Gerechtigkeit. Mit politischen Willen ist diese Eigentumsordnung abzuändern, dass sie wieder konservativen Zielen zu Diensten ist.

Der Autor hat über das Thema Eigentum eine ideengeschichtliche Einführung geschrieben. Das Buch ist zum Preis von 14 Euro im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.


Zur Person:

Bruno Wolters wurde 1994 in Deutschland geboren und studierte Philosophie und Geschichte in Norddeutschland. Im Sommer 2020 war er Mitgründer des konservativen Onlinemagazins konflikt. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Seit 2022 ist Wolters Redakteur bei Freilich. Seine Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

Twitter: https://twitter.com/Bruno_Wolters

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.

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