Der Fall „Udo Lindenberg“ zeigt: Manche sind gleicher als andere

In seinem Kommentar kritisiert der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Wolf die Einstellung des Verfahrens gegen Udo Lindenberg. Dieser hatte dem Politiker im vergangenen Jahr vor laufender Kamera den Mittefinger gezeigt. Nun reicht Wolf eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein.

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13.5.2023
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2 Minuten Lesezeit
Der Fall „Udo Lindenberg“ zeigt: Manche sind gleicher als andere
Udo Lindenberg zeigte dem AfD-Politiker Wolf den Mittelfinger© IMAGO / Bernd Elmenthaler

Wenn „Otto Normalverbraucher“ jemandem den „Stinkefinger“ zeigt, ist das ein „Fall für den Kadi“ – dann ermittelt stets die Staatsanwaltschaft, besonders häufig im Straßenverkehr. Der „Stinkefinger“ gegenüber Polizisten zieht praktisch immer eine Strafverfolgung wegen Beleidigung (§ 185 StGB) nach sich. Viele Autofahrer mussten das schon erfahren.

Lindenberg als Ausnahme

Die Justizverwaltungen der Länder haben sich darauf verständigt – und das festgeschrieben, dass grundsätzlich ein „öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung zu bejahen ist. Will heißen: Die Staatsanwaltschaft schreitet von Amts wegen ein; der Beleidigte braucht nicht selbst eine mühselige „Privatklage“ anzustrengen. Und das gilt grundsätzlich – selbst wenn sich das nur zwischen einzelnen Personen abspielte, ohne Medienöffentlichkeit. Grundsätzlich.

Denn dies gilt augenscheinlich nicht, wenn ein Udo Lindenberg – ein SPD-Anhänger, der die AfD nicht mag – einem AfD-Politiker, Alexander Wolf, den Stinkefinger zeigt, während einer Bürgerschaftssitzung, vor laufenden Kameras; die Presse berichtete umfangreich, von BILD bis n-tv, vom FOCUS bis zum STERN.

Haarsträubende Begründung zur Einstellung des Verfahrens

Nachdem Lindenberg sich nicht entschuldigte oder auch nur auf die Anfrage Wolfs antwortete, erstattete Wolf Strafanzeige wegen Beleidigung. Jetzt möchte man meinen, hier müsse gleiches Recht für alle gelten (Art. 3 Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“) und die Staatsanwaltschaft würde ihr Amt unparteiisch ausüben. Möchte man meinen.

Denn mehr „öffentliches Interesse“ als eine Beleidigung eines Abgeordneten im Landesparlament, vor laufenden Kameras, in einer Debatte zur Verleihung einer Ehrenbürgerwürde, ist wohl schwerlich vorstellbar. Erst recht angesichts der erst vor wenigen Jahren beschlossenen Verschärfung des Strafgesetzes (§ 188 StGB) zur Sicherung von Mindeststandards im öffentlichen Umgang der politischen Auseinandersetzung. Und sie erfolgte zudem durch einen (zu dem Zeitpunkt noch: zukünftigen) Ehrenbürger, von dem ein vorbildhaftes Verhalten durchaus erwartet werden kann – sollte man meinen.

Nicht so in Hamburg, unter der Grünen Justizsenatorin Gallina. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Ermittlungsverfahren gegen Udo Lindenberg mit einer haarsträubenden Begründung ein. Ein öffentliches Interesse liege nicht vor. Die von Wohlwollen triefende Begründung: Es könnte die Geste ja auch als Ausdruck des Missfallens zum Inhalt der Rede zu verstehen sein und wäre dann durch das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) gedeckt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Mit dieser Begründung bräuchte ab sofort kein Autofahrer mehr eine Strafverfolgung befürchten.

Auf die Beschwerde Wolfs bei der Generalstaatsanwaltschaft hin erfolgte binnen nunmehr fünf Monaten keine Reaktion. Daher reichte Wolf jetzt Dienstaufsichtsbeschwerde bei Justizsenatorin Gallina gegen die Staatsanwältin sowie die Generalstaatsanwaltschaft ein.

Das ist ein handfester Justiz-Skandal. Denn offenbar sind unter der Grünen Senatorin einige gleicher vor dem Gesetz als andere. Dieses Sonderrecht – besser „Unrecht“ – zulasten der AfD und zugunsten eines linken Promis verstößt eklatant gegen das Grundgesetz!


Zur Person:

Dr. Alexander Wolf wurde 1967 geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Jura, Philosophie, Geschichte und Politik in München, Speyer und Oxford. Nach langjähriger Tätigkeit als Rechtsanwalt in einer internationalen Großkanzlei gründete er 2007 seine eigene wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Kanzlei in Hamburg.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.