Wegen Urteil zur „Pille danach“: Berliner Apotheker gibt Job aus Gewissensgründen auf
Ein Berliner Apotheker hat seinen Beruf aufgegeben, da er aus Gewissensgründen die „Pille danach“ nicht verkaufen möchte. Grund für diesen Schritt ist ein entsprechendes Urteil.
Mehrere Jahrzehnte lang war Kersten als Arzt tätig, nun gab er seine Approbation aus Gewissensgründen auf.
© ADF InternationalBerlin. – Der Berliner Apotheker Andreas Kersten hat im Mai 2025 seine Approbation zurückgegeben. In einem Schreiben an die Apothekerkammer bat er darum, seine 1984 erteilte Zulassung zu widerrufen, wie die Organisation ADF International mitteilte. Als Grund nannte er das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Fall rund um die „Pille danach“: „Die sogenannte ‚Pille danach‘ zu verkaufen, kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, weil sie möglicherweise ein Menschenleben beenden könnte. Daher sehe ich mich gezwungen, meine Approbation als Apotheker aufzugeben“, erklärte er.
Gewissensfreiheit laut Gericht nachrangig
Obwohl Kersten im Juni 2024 vom Vorwurf der Berufspflichtverletzung freigesprochen wurde und das Gericht die Berufung der Apothekerkammer ablehnte, stellte die schriftliche Urteilsbegründung für ihn eine tiefgreifende Zäsur dar. Das Gericht erklärte, die „Pille danach“ sei ein rechtlich zugelassenes Arzneimittel und Apotheker hätten kein „Prüfrecht“. Die individuelle Gewissensfreiheit sei dem Versorgungsauftrag untergeordnet.
Laut Urteil müsse ein Apotheker, der die Abgabe bestimmter Präparate aus Gewissensgründen verweigert, seinen Beruf aufgeben. „Das Gericht hat sich hinter meine Haltung gestellt. Es fand kein Verschulden in meiner Weigerung aus Gewissensgründen. Bestürzt hat mich aber die Begründung, die mir meine Gewissensfreiheit diesbezüglich doch abspricht. Aufgrund des Freispruchs kann ich diese zusätzlichen Ausführungen des Gerichts jedoch nicht anfechten. Nun sehe ich mich gezwungen, meine Approbation als Apotheker niederzulegen“, so Kersten.
Langwieriger Rechtsstreit mit der Kammer
Der Konflikt begann im Jahr 2018, als die Berliner Apothekerkammer ein berufsrechtliches Verfahren gegen Kersten einleitete. Der Apotheker, der bis dahin die Undine-Apotheke betrieb, hatte sich aus Gewissensgründen geweigert, die „Pille danach“ vorrätig zu haben oder zu verkaufen. In erster Instanz stellte das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Berlin im November 2019 fest, dass sich Apotheker auf die Gewissensfreiheit berufen können. Dennoch legte die Kammer Berufung ein. Aufgrund gesundheitlicher Gründe schloss Kersten seine Apotheke vorzeitig, blieb jedoch Mitglied der Kammer und dachte über eine Rückkehr in den Beruf nach. Das letztinstanzliche Urteil machte ihm diese Option jedoch unmöglich.
ADF International kritisiert Urteilsbegründung
Die Organisation ADF International, die Andreas Kersten über sechs Jahre hinweg juristisch begleitet hatte, kritisierte das Urteil scharf. „Nach einem Verfahren durch mehrere Instanzen und nach über 5 Jahren Unsicherheit wurde letzten Sommer klar, dass Andreas Kersten in seiner Gewissensnot nicht schuldhaft gegen Berufspflichten verstoßen hat. Skandalös war aber die Begründung des Urteils“, sagte Felix Böllmann, Leiter der europäischen Rechtsabteilung von ADF International. Er warf dem Gericht vor, mit seiner Auslegung gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und gegen internationales Recht zu verstoßen. „Grundrechte müssen effektiv garantiert werden, nicht nur auf dem Papier. Aber die Argumentation des Gerichts lässt der Gewissensfreiheit keinen Raum.“
Böllmann kritisierte insbesondere die Pressemitteilung des Gerichts, die unmittelbar nach der Urteilsverkündung erschien: „Noch am Tag der mündlichen Urteilsverkündung gab das Gericht eine Pressemeldung heraus, die Apothekern die Gewissensfreiheit absprach, der Freispruch wurde nicht einmal erwähnt. Das deutet auf richterlichen Aktivismus hin.“
Kritik am Umgang mit der „Pille danach“
Nach Ansicht von ADF International wirft die Argumentation des Gerichts auch Fragen hinsichtlich der Richtlinien der Bundesapothekerkammer auf. Diese fordert in ihrer Handlungsempfehlung zur „Pille danach“ umfassende Beratungspflichten zum Schutz der Patientinnen. „Zu den umfassenden Beratungspflichten passt es nicht, Apotheker unter Berufung auf den Versorgungsauftrag dazu zu zwingen, jedes Präparat auf Nachfrage und ungeachtet etwaiger Bedenken zu verkaufen“, betonte Böllmann.
ADF International sieht die besondere Brisanz in der möglichen Wirkung des Medikaments: Die „Pille danach“ könne die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle verhindern und somit einen bereits gezeugten Menschen abtreiben. „Niemand darf zu einer Handlung gezwungen werden, die seinem Gewissen deutlich widerspricht – vor allem nicht, wenn es um Leben und Tod geht“, so Böllmann.