Vergessen und verdrängt: Der Judenhass der Klimaextremisten

Während sich der Kampf der Linken gegen Antisemitismus im Wesentlichen auf Rituale beschränkt, schaffen Protagonisten von „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ und anderen Organisationen judenfeindliche Tatsachen. Doch von einer gesellschaftlichen Empörung kann keine Rede sein. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf.
Kommentar von
12.12.2022
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4 Minuten Lesezeit

Es gibt wenige Konstanten in der Menschheitsgeschichte wie den Antisemitismus. Zuverlässig und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk füllt der Bazillus Judenhass ganze Bibliotheken. Keine Altersgruppe, keine Ethnie und keine politische Richtung ist vor ihm gefeit. Nicht einmal unter den Betroffenen selbst. In Schriftform las man vom “Jüdischen Selbsthass” das erste Mal vor mehr als 100 Jahren. Der Autor: Theodor Lessing, der als erstes prominentes Opfer des Holocaust gilt. Jüdischer Selbsthass gilt als Übersprungshandlung, gebohren aus dem Scham der eigenen Existenz. Das gelingt insofern, wenn man das eigene Sein selbst ablehnt. So sehr, dass er in Hass umschlägt. Bekannte Zeitgenossen sind Noam Chomsky, aber auch Anetta Kahane und das ehemalige Mitglied der Gruppe 47, Erich Fried. Alles drei ausgewiesene Vertreter der politischen Linken, was wenig verwundert.

Marxisten können Juden nicht leiden, weil sie Kapitalisten, Ausbeuter und Unternehmer sind. Internationale Linke werfen ihnen vor, einen eigenen Staat gegründet zu haben. Und die Ökolinken beschweren sich, dass koscheres Schlachten gegen das Tierwohl verstößt. “Jedem das Seine” wollte man da am liebsten den Protagonisten entgegenbringen, wäre der Begriff nicht von den Rechtssozialisten pervertiert worden. Jeder sucht sich das aus, was am bestens in sein Konzept passt.

Dämonisierung und Delegitimierung

So tun es auch die Klimaprotestanten dieser Zeit, die längst die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und Extremismus überschritten haben. Erst am 12. November 2022 verfasste der verifizierte internationale Twitter-Account von “Fridays for Future” folgende Tweets: „In the last few days there have been more targeted persecutions and attacks on Palestinians. This is a clearly result of Israeli apartheid and neocolonialism. 1 / 2 “

“As an international anti-colonial, climate-justice movement, we stand in solidarity with the Palestinian liberation. Viva Palestine libre! 2/2”

Man muss kein Experte für Judenhass sein, um zu erkennen, dass es sich hier um Antisemitismus handelt. Die Formulierung “Apartheid” in dem Kontext mit Israel zu nutzen, dem einzige Land im Nahen Osten, in dem Palästinenser keine persona non grata sind, ist absurd. Ebenso die Behauptung, der Judenstaat würde Neokolonialismus betreiben. Im Gegensatz zu den sogenannten palästinensischen Gebieten ist Israel ein völkerrechtlich anerkannter, demokratischer Staat.

Es ist wie üblich: Formulierungen wie diese sind nach der Definition des 3-D-Tests, also „Dämonisierung“, „Delegitimierung“ und „Doppelstandards“, judenfeindlich. Es sollte dabei um eine Differenzierung gehen, um legitime Kritik an Israel von Antisemitismus zu unterscheiden. Der Tweet von „Fridays for Future“ bestätigt wenigstens zwei der drei Ds.

Unverblühmte Holocaustrelativierung von Extinction Rebellion

“Dämonisierung”, da Israel mit dem Begriff Apartheidsstaat als das ultimativ Böse dargestellt wird. Ein Aparteidstaat ist ein Land, das gegenüber seiner Bevölkerung eine Politik der Apartheid betreibt, der also bestimmte Bevölkerungsgruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert. In Israel leben 1,5 Millionen Palästinenser die, so wie sie die israelische Staatsbürgerschaft haben, auch wählen dürfen. Und immerhin scheinen dies auch viele in Anspruch zu nehmen, denn in der aktuellen Knesset ist eine arabische Partei vertreten.

“Doppelter Standard” trifft hierbei ebenfalls zu, da es kaum Stellungnahmen zu anderen Ländern gibt, die tatsächlich diktatorisch und menschenfeindlich sind. Kein Wort über die Situation im Jemen. Stille, was die Situation der Kurden und Jesiden in Syrien angeht. Sprachlosigkeit herrscht auch beim Thema der Uiguren in China. Israel scheint für die Klimabewegten ein Hort des absolut Bösen zu sein. Sie merken gar nicht, dass sie judenfeindlich argumentieren. Natürlich zünden sie zum Holocaustgedenktag eine Kerze an, halten Vorträge zur Reichspogromnacht und polieren im Zweifel auch Stolpersteine. Doch für lebende Juden haben sie wenig übrig.

Noch unverblümter zeigte sich der Mitbegründer der Klimasekte „Extinction Rebellion“, Roger Hallam. Er hielte die deutsche Haltung zum Holocaust für schädlich, wie er 2019 in der ZEIT offen zu gab. Es tue den Deutschen nicht gut, dass sie die Shoah “fälschlicherweise für einzigartig” hielten. Doch der Brite geht noch weiter: „Tatsache ist, dass in unserer Geschichte Millionen von Menschen unter schlimmen Umständen regelmäßig umgebracht worden sind“. Genozide, so der Klimaaktivist, habe es in den vergangenen 500 Jahren immer wieder gegeben. „Um ehrlich zu sein, könnte man sagen: Das ist ein fast normales Ereignis.“

Sie reproduzieren das, was sie reproduzieren wollen

Judenfeindlichkeit gehört zur politischen DNA der Klimaaktivisten. Das sieht auch ein Sprecher von „Fridays for Future“, Leonard B. (Name geändert) so. Er selbst erwägt aus diesem Grund, die Bewegung zu verlassen, die er maßgeblich mitgeprägt hat. “Der Antisemitismus bei uns ist ein reales Problem”, gab der 18-Jährige in einem Hintergrundgespräch zu.

Weshalb die hiesigen Leitmedien, die ansonsten nicht müde werden, über tatsächliche und vermeintliche Rassismen zu berichten, bei dem Thema Antisemitismus von links schweigen, kann leicht erklärt werden: Es darf nicht sein, was nicht sein darf. Der erfolgreiche Marsch durch die Institutionen machte auch nicht in Funk und Fernsehen halt. Die linke Seite der politischen Medaille kann kraft ihrer moralischen Überlegenheit gar nicht Judenhass evozieren. Links und schlecht schließen sich aus, meinen die Medienschaffenden. Wie fest muss man die Realität verschließen, um die Werke von Henryk Broder, Wolfgang Kraushaar oder Michael Wolffsohn zu ignorieren? Für die Ökobewegung scheint diese kognitive wie intellektuelle Dissonanz kein Problem darzustellen. Doch am Ende reproduzieren sie das, was sie reproduzieren wollen: Nackten, blinden Judenhass.


Zur Person:

Julian Marius Plutz, 1987 geboren, ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Achse des Guten, TheGermanZ und die Jüdische Rundschau.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.