Staatsversagen: Polizei muss bei Clanstreit Friedensrichter einschalten

Vor etwa zwei Monaten eskalierte in Niedersachsen ein Streit zwischen zwei Clanfamilien. Es kam zu einer tödlichen Verletzung. Um eine Eskalation der aufgeheizten Stimmung zu verhindern, hatte die Polizei damals einen so genannten Friedensrichter eingeschaltet.

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Staatsversagen: Polizei muss bei Clanstreit Friedensrichter einschalten
Wegen befürchteter Eskalation der Gewalt schaltete die Polizei in der aufgeheizten Stimmung einen sogenannten Friedensrichter ein.© IMAGO / Fotostand

Stade. – Im niedersächsischen Stade eskalierte im März ein langjähriger Konflikt zwischen zwei arabischen Großfamilien tödlich. Auf offener Straße kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der ein Mann durch einen Messerstich in den Kopf tödlich verletzt wurde. Das Opfer verstarb später im Krankenhaus. Der zunächst flüchtige Tatverdächtige gehört zur Familie Miri, das Opfer zur Familie El Zein. Beide Familien wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Clankriminalität in Verbindung gebracht.

Die Polizei vor Ort befürchtete eine Eskalation der Gewalt und schaltete in der aufgeheizten Stimmung einen sogenannten Friedensrichter ein. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der CDU hervor, die der Ostfriesen Zeitung vorliegt. Die Polizei versuchte so, Informationen über mögliche Racheakte und Anreiseverbindungen zu erhalten, um präventive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen zu können.

Friedensrichter aus Nordrhein-Westfalen

Die Kommunikation mit der Familie des Opfers gestaltete sich zunächst schwierig, da diese eine direkte Kontaktaufnahme ablehnte und stattdessen auf zwei aus Nordrhein-Westfalen angereiste Personen verwies: einen Imam und einen Friedensrichter. Beide waren mit dem Opfer verwandt und sollten die Trauerbegleitung übernehmen. Der Sprecher der Essener Salâh-ud-Dîn-Moschee, El Sayed, dementierte jedoch auf Anfrage der Ostfreisen Zeitung, dass es sich bei den beiden Männern um Friedensrichter gehandelt habe. Vielmehr seien beide als Imame tätig und hätten erfolgreich zur Deeskalation aufgerufen, indem sie die Familie aufforderten, die Aufklärung und Bestrafung des Verbrechens dem deutschen Rechtsstaat zu überlassen.

Ein in Sozialen Netzwerken verbreiteter Aufruf eines der Imame rief dazu auf, auf Selbstjustiz zu verzichten und die staatlichen Behörden arbeiten zu lassen. Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden ermitteln jedoch weiterhin unter dem Aspekt der Clankriminalität. Eine darauf spezialisierte Abteilung der Staatsanwaltschaft Stade ermittelt.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber der Ostfriesen Zeitung, dass es Hinweise gebe, dass sowohl das Opfer als auch der inhaftierte Tatverdächtige Mitglieder eines kriminellen Clans seien. Wann es zu einem Prozess kommt, ist derzeit noch unklar, die Staatsanwaltschaft will die Anklageschrift aber in den kommenden Wochen fertigstellen.