Historischer Wendepunkt: Österreich ist nicht mehr mehrheitlich katholisch
Der jahrzehntelange Rückgang der katholischen Kirche in Österreich hat einen historischen Tiefpunkt erreicht. Gottesdienste, Sakramente und Taufen verlieren immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung.
Ende 2024 waren weniger als die Hälfte der Bevölkerung Österreichs Mitglied der katholischen Kirche. (Symbolbild)
© IMAGO / UIGWien. – Erstmals seit Beginn der statistischen Erhebungen ist die katholische Kirche in Österreich nicht mehr die dominierende Religion, wie die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) in einer Analyse festhält. Ende 2024 waren nur noch 49,6 Prozent der Bevölkerung Mitglieder der katholischen Kirche. Damit ist der jahrzehntelange Rückgang der Gläubigen in eine Phase eingetreten, die auch symbolisch Gewicht hat: „Österreich ist katholisch“ – diese Aussage trifft statistisch nicht mehr zu.
Kontinuierlicher Rückgang
Laut der Kirchlichen Statistik der Diözesen Österreichs für das Jahr 2024 hatte die Kirche zum Jahresende 4.557.471 Mitglieder. Dem stehen 9.197.213 Personen gegenüber, wie Statistik Austria festhält. Das entspricht einem Anteil von 49,55 Prozent. Seit 1991, also innerhalb einer Generation, ist der Anteil von 82,6 auf 49,6 Prozent gefallen.
Die Mitgliederverluste verlaufen zwar gleichmäßig, haben sich in den vergangenen Jahren jedoch beschleunigt. Seit 2018 liegen die jährlichen Rückgänge allesamt über dem langjährigen Durchschnitt von 1,03 Prozent. Ein wesentlicher Faktor sind dabei die Kirchenaustritte: Seit 2013 überschreiten die Rückgänge regelmäßig 0,95 Prozent. Besonders ins Auge fällt das Jahr 2010: Der starke Anstieg der Austritte in diesem Jahr wird auf die damals publik gewordenen Missbrauchsvorwürfe zurückgeführt.
Verändertes kirchliches Milieu
Der Rückgang zeigt sich nicht nur bei den Mitgliedszahlen, sondern auch bei der religiösen Praxis. So schrumpfte der regelmäßige Gottesdienstbesuch von rund 1,3 Millionen auf aktuell nur noch 370.000 Personen. Damit liegt die Quote bei lediglich acht Prozent der Mitglieder – einst waren es 20 Prozent.
Auch bei den Sakramenten ist ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen. So machten kirchliche Trauungen 1991 noch 54 Prozent aller Eheschließungen aus, mittlerweile sind es nur noch 16,5 Prozent. Ebenso sinkt die Taufquote bei den Katholiken: Wurden vor gut drei Jahrzehnten noch 82 Prozent aller Neugeborenen getauft, sind es nun nur noch 48 Prozent.
Demografische Dynamik
Trotz vergleichsweise hoher Taufzahlen gelingt es der Kirche nicht, die Zahl der Begräbnisse verstorbener Katholiken auszugleichen. Laut der fowid-Analyse beträgt dieses „Taufdefizit“ von fehlenden Neumitgliedern rund 10.000 Personen pro Jahr. Der Autor kommt zu einem ernüchternden Fazit. Es gebe keinen Grund, davon auszugehen, dass sich diese Trends umkehren lassen.