Hamburg: Millionenschaden durch Diebstahl im Einzelhandel
Ladendiebstahl wird für den Hamburger Einzelhandel zu einer immer größeren Belastung: Die Täter gehen nach Angaben von Branchenvertretern zunehmend aggressiv vor.
Migranten nach Ladendiebstahl festgesetzt. (Symbolbild)
© IMAGO / ChempicHamburg. – In der Centro-Filiale in der Hamburger Innenstadt wird immer wieder eingebrochen, berichtet das Hamburger Abendblatt. Aber nicht nur das: Apotheker Nicolas Della Seta berichtet von fast täglichen Ladendiebstählen. Der Ladendiebstahl sei „komplett enthemmt“, sagt er, die Täter seien immer dreister. „Sie schauen uns dabei in die Augen“.
Aggressiver, organisierter und professioneller
Mit dieser Erfahrung ist Della Seta nicht allein. Auch im Bekleidungsgeschäft Werte Freunde werden dem Bericht nach immer wieder Warensicherungen entfernt und Kleidungsstücke gestohlen. Brigitte Nolte, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Nord, spricht von einem Strukturwandel: „Wir haben bereits im vergangenen Jahr festgestellt, dass das Vorgehen der Täter immer aggressiver, planmäßiger und organisierter wird.“ Besonders im Visier der Diebe seien Waren, die sich gut weiterverkaufen lassen – etwa Elektronik, Spirituosen oder teure Kosmetik.
Milliardenschäden durch Ladendiebstahl
Laut einer Studie des EHI belaufen sich die Inventurverluste im Einzelhandel bundesweit auf 4,8 Milliarden Euro – 4,1 Milliarden davon entfallen auf Diebstähle durch Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und Servicepersonal. Allein in Hamburg belaufe sich der Schaden durch Ladendiebstahl auf rund 120 Millionen Euro pro Jahr, so Nolte. Hinzu kämen rund 85 Millionen Euro Investitionen in Sicherheitstechnik und Personal. „Diese rund 200 Millionen Euro wirken sich dann natürlich preistreibend aus.“
Dreiste Taktiken und hohe Kosten für Händler
Nolte schildert konkrete Fälle, die den Wandel im Täterverhalten verdeutlichen: „In einem Fall ist eine mutmaßliche Familie mit Kinderwagen in einen Laden gegangen. Am Ende war im Wagen aber gar kein Kind, sondern Diebesgut.“ Die Folge: Händler müssen zunehmend in Überwachungstechnik und Sicherheitspersonal investieren. „Das schadet der Allgemeinheit“, warnt Nolte.
Kritik übt der Handelsverband Nord auch an der Justiz. „Die Gerichte stellen solche Verfahren viel zu schnell ein, Beweismaterial wie Videoaufnahmen der Händler werden nicht ausgewertet, Täter nicht bestraft“, beklagt Nolte. „Ladendiebstahl wird nicht ernst genommen, nicht konsequent verfolgt.“
Lebensmittelhandel besonders betroffen
„Es wird zwar am meisten im Lebensmittelhandel gestohlen, aber es betrifft jede Branche und Läden unterschiedlicher Größe“, so Nolte weiter. Etwa die Hälfte der Schadenssumme entfalle auf Supermärkte. Trotz verstärkter Polizeipräsenz in der Innenstadt gibt es laut Citymanagerin Brigitte Allkemper Hinweise darauf, „dass einzelne Unternehmen überdimensional von Diebstählen betroffen sind“.
Rückgang der Anzeigen, aber keine Entwarnung
Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für Hamburg einen Rückgang der angezeigten Ladendiebstähle aus: 17.920 Fälle wurden 2024 registriert, 2.154 weniger als im Vorjahr. Auch in Hamburg-Mitte ging die Zahl der Fälle um fast elf Prozent zurück. An einen echten Rückgang glaubt Della Seta aber nicht: „Ladenbesitzer und Mitarbeiter rufen oft nicht mehr die Polizei. Diebstahl passiert unmittelbar, Beamte treffen dann meist zu spät ein.“
Auch Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Hamburg, warnt vor einer gefährlichen Entwicklung: „Menschen stehlen auch, weil sie nicht genug Geld zur Verfügung haben, die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer“. Die meisten Diebe seien Einzeltäter aus sozial schwachen Verhältnissen. „Es geht vor allem um Beschaffungskriminalität. Banden fokussieren sich eher auf andere Kriminalitätsfelder wie Taschendiebstahl.“
Rufe nach härteren Strafen
Ladendetektive und Kameraüberwachung seien zwar wichtige Maßnahmen, aber ohne rechtliche Konsequenzen wirkungslos, sagt Jungfer: „Wenn diesen nichts droht, können sie ungehindert weitermachen.“ Obwohl das Gesetz Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vorsieht, würden viele Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. „Es braucht abschreckende Beispiele“, fordert der Gewerkschaftsvorsitzende. Fürs Falschparken werde man teilweise höher bestraft als für Ladendiebstahl.
Neben Polizei und Justiz sieht Jungfer auch die Schulbehörden in der Pflicht: „Menschen mit einer vernünftigen Bildung werden weniger straffällig als Menschen mit geringer Bildung“. Prävention müsse langfristig wirken, fordert der Polizeigewerkschafter – damit es in Zukunft weniger Gründe für Diebstahl gibt.