Hörsaalgeflüster (3) – Den Woken das Handwerk gelegt? Der Fall Peter Hoeres
Fälle wie jener rund um Hoeres-Hasselhorn zeigen, wie schnell politische Intrigen Karrieren gefährden können – auch wenn sie letztlich scheitern. Marc Brunner beschreibt die Affäre als Mahnmal institutioneller Macht.
Im „Skandal“ um Professor Peter Hoeres und seine Assistenten sehen Kritiker eine konzertierte Aktion.
© IMAGO / Harald Dostal / Screenshot YouTube. Collage FREILICHDer Fall Hoeres-Hasselhorn an der Universität Würzburg ist ein Lehrstück über Macht, Intrige und die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit im akademischen Alltag. Während konservative Beobachter bereits von einem Sieg über „woke“ Umtriebe sprechen, offenbart ein genauer Blick auf den Fall vor allem eines: wie leicht reputationsschädigende Kampagnen in deutschen Hochschulen in Gang gesetzt werden können – und wie wenig es braucht, um wissenschaftliche Karrieren dauerhaft zu gefährden.
Was war passiert?
An der Universität Würzburg hat sich in den letzten Monaten ein intrigantes Spiel am Lehrstuhl für Neueste Geschichte dargeboten, in welchem Lehrstuhlinhaber Professor Peter Hoeres und sein Assistent Benjamin Hasselhorn zur Zielscheibe einer allem Anschein nach konzertierten Aktion wurden. Auf Bestreben des AStA sollte zunächst ein alternatives Lehrangebot am Lehrstuhl etabliert werden, da von Hoeres und Hasselhorn eine „neurechte Diskursverschiebung“ ausgehe, welche die bestehende Lehre beeinträchtige.
Ausgangspunkt der Debatte war die Tatsache, dass Hasselhorn 2014 unter Pseudonym einige Artikel für die Sezession geschrieben hatte. Götz Kubitschek hat diesbezüglich das Wesentliche hier dargelegt. Die Kampagne, die ausweislich der durchgestochenen Sitzungsprotokolle des AStA auch zum Ziel hatte, Hasselhorns Ruf zu beschädigen und so seine Aussichten auf eine eigene Professur zu schmälern, mündete in einem Gespräch im bayerischen Wissenschaftsministerium, wo zwischen der Universitätsleitung und Professor Hoeres vermittelt wurde. Seither gelten Hoeres und Hasselhorn als rehabilitiert und die gegen sie erhobenen Vorwürfe als haltlos.
Dies mag für jeden Freund der Wissenschaftsfreiheit Grund zur Freude sein, auch kann jeder Gegner der linken Diskurshoheit an den deutschen Universitäten hiermit ganz gut leben. In der Tagespost jubilierte Sebastian Ostritsch aber, dass die Affäre ein Beispiel dafür sei, wie man den „Woken das Handwerk legt“. Ostritsch – selbst promovierter und habilitierter Philosoph – folgert angesichts des vorläufig erfolgreichen Widerstands von Hoeres und Hasselhorn, dass tatsächlich eine „Diskursverschiebung“ stattgefunden habe: nämlich „weg vom links-woken Irrsinn“ und „hin zum gesunden Menschenverstand“. Es ist mir völlig schleierhaft, wie man als Außenstehender zu dieser Einschätzung gelangt.
Selbstkritik als Überlebensstrategie
Rekapitulieren wir nochmals kurz und pointiert, was sich zugetragen hat: linke Kräfte innerhalb des Studentenparlaments haben sich auf offenbar gezielt konspirative Weise mit der Universitätsleitung kurzgeschlossen und aufgrund eines elf Jahre alten Artikels und einiger vager Anschuldigungen versucht, gegen einen frisch habilitierten akademischen Rat und einen Lehrstuhlinhaber politisch zu agitieren.
Dass sich Hoeres und Hasselhorn – als sie etwas später davon in Kenntnis gesetzt waren – hiergegen zu Wehr setzen konnten, hat wenig mit einer Diskursverschiebung in Richtung „gesunder Menschenverstand“ (einer übrigens so beliebten wie inhaltsleeren Phrase) zu tun, sondern vor allem mit dem dummdreisten Vorgehen der Studenten. Denn diese haben nicht mal dafür Sorge getragen, dass ihre orthographisch fragwürdigen Sitzungsprotokolle nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Aber vermutlich hat man sich auf dieser Seite in eine Sicherheit gewiegt, die nachlässig werden lässt. Ein klares Indiz für die tatsächlichen Machtverhältnisse an der Universität.
Was aber zeigt der Fall „Hoeres-Hasselhorn“ eigentlich? Dass man als Nachwuchsakademiker – sofern man sich sogleich artig von den begangenen, publizistischen Verfehlungen distanziert und etwas später in einem fragwürdigen Text in der Welt sogar noch eigene Fehler einräumt – zumindest nicht sofort geschasst wird, wenn man sich in der Vergangenheit dissidente Anwandlungen erlaubt hatte? Allein dies verdeutlicht doch, dass der Diskurs an den deutschen Universitäten nach wie vor völlig dominiert wird von einem repressiven Meinungsklima, dessen Günstlinge ohne große Mühe jeden für sie auch nur ansatzweise Verdächtigen ernsthafte Probleme bereiten können. Es ist daher auch noch abzuwarten, ob Hasselhorn denn nun auch eine Zukunft an einer deutschen Universität hat.
Die Machtfrage: Wer legt hier wem das Handwerk?
Am Würzburger Lehrstuhl mag er vorerst rehabilitiert sein – jede universitäre Berufungskommission aber kennt nun seine Geschichte. Und wenn es schon um soviel Macht und Geld geht wie bei einer W3-Professur, dann kennen die Leute an den Schaltstellen – zumeist selbst ideologisch eindeutig festgelegt – möglicherweise geeignetere oder zumindest zuverlässigere Kandidat*innen. Und auch die Frage nach den alternativen Lehrangeboten am Lehrstuhl scheint nicht endgültig aus der Welt zu sein. Es ist also nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass die agitierenden Studenten ihren ursprünglichen Willen durchsetzen werden – obgleich Hoeres nun in die Planung dieser zusätzlichen Lehrangebote involviert werden soll.
Hoeres und Hasselhorn haben vermutlich ihr Möglichstes getan, um die Situation gütlich beizulegen. Gerade deswegen aber ist die Angelegenheit nichts weniger als eine Demonstration der geradezu unheimlichen Möglichkeiten des universitären und studentischen Apparates, Abweichler zu isolieren, an den Rand zu drängen und – zumindest im Falle Hasselhorn – ganze Karrieren noch vor ihrem eigentlichen Beginn zu gefährden. Dieser institutionellen Machtstruktur das Handwerk zu legen, wird nicht leicht. Dabei helfen aber sicherlich keine liberal-konservative Phrasen und blinder Optimismus, die einer offensichtlich unkritischen Einschätzung der hochschulpolitischen Verhältnisse korrespondieren.