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Digitaler Euro: Per Knopfdruck in die Unfreiheit

Lagarde, Lindner & Co. trommeln für den „digitalen Euro“: Warum man deren Beteuerungen, dass dieser das Bargeld nicht ersetzen soll, nicht trauen sollte und welche Gefahren diese Entwicklung birgt, erklärt Julian Schernthaner in seinem Kommentar.
Julian Schernthaner
Kommentar von
10.11.2022
/
4 Minuten Lesezeit
Digitaler Euro: Per Knopfdruck in die Unfreiheit

Julian Schernthaner

Lagarde, Lindner & Co. trommeln für den „digitalen Euro“: Warum man deren Beteuerungen, dass dieser das Bargeld nicht ersetzen soll, nicht trauen sollte und welche Gefahren diese Entwicklung birgt, erklärt Julian Schernthaner in seinem Kommentar.

Wenn die Gestalten in Brüssel mit leuchtenden Augen ein Prestigeprojekt vorstellen und ihre Erfüllungsgehilfen in Berlin kurz darauf mit ebenso großem Enthusiasmus ausreiten, verheißt das selten etwas Gutes. Beim „digitalen Euro“ fällt es schwer, Lagarde und Lindner zu glauben, wenn sie beteuern, dass dieser nur eine Ergänzung zum Bargeld darstellen soll.

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“: Historische Worte von Walter Ulbricht, denn nur Monate später stand sie mitten in Berlin. Und leider hören sich die Beteuerungen der neoliberal-globalistisch ausgerichteten Eliten ähnlich an, wenn sie zugleich vom Zentralbank-Digitalgeld (CBDC) als „Ergänzung“ sprechen. Denn gleichzeitig treten sie unter dem Vorwand des Kampfes gegen Kriminalität für Barzahlungs-Obergrenzen ein. Oder wenn sie dezentrale Kryptowährungen vernadern und am Liebsten verbieten, die zugrundeliegende Blockchain-Technologie aber abkupfern wollen.

„The economy, stupid“ als neuer Vorwand

Sind kalkulierende Politiker einmal für ein Projekt Feuer und Flamme, hat das oft mit Macht und Geld zu tun – oder wie in diesem Fall, um die Macht über das Geld. EZB-Chefin Lagarde – sie ist auch WEF-Stiftungsrätin – träumt von größeren Anteilen von Firmen aus EU-Ländern im digitalen Zahlungsverkehr. FDP-Finanzminister Christian Lindner wiederum schmiert den Menschen mit der Aussicht auf innovatives Wirtschaftswachstum gleich einen ganzen Honigtopf ums Maul.

Viel Zeit bleibt den Befürwortern eh nicht mehr, das Volk ins Boot zu holen: Bis nächstes Jahr laufen die Evaluationen, bis 2025 soll der digitale Euro in allen Lebensbereichen startklar sein. In den im Vorjahr stattfindenden Konsultationen sorgten sich die meisten kritischen Stimmen um die Privatsphäre. Das verwundert kaum: Kommt das einzige funktionierende CBDC-System doch aktuell aus China. Und dem Pekinger Regime traut nun wirklich jeder zu, seinen Überwachungsstaat ausbauen zu wollen.

Den Globalisten nicht über den Weg trauen

Durchregieren bis ins Sparschwein – es kam auch dort auf schizophren gleichzeitige Weise mit Fanfaren und auf leisen Socken. Man begann 2020, den Beamten – davon gibt es im Reich der Mitte viele – Leistungen wie die Pendlerpauschale über eine quasi-verpflichtende App als E-Yuan auszubezahlen. So bereitet man die Menschen auf eine Zeit vor, in der einst auch Sozialleistungen und Lohnarbeit über das System abgewickelt werden: Wer kein Konto für das Digitalgeld hat, der hat halt Pech gehabt.

Das totalitäre Potenzial der immer ruchloseren – und, wie ich meine, immer verlogeneren – totalen Digitalisierung ist nicht zu unterschätzen. Der Glauben, dass es in Europa anders wird, hängt einzig und alleine am Vertrauen in die herrschenden Mächte. Und das ist dieselbe politische Kaste, die ihr Wort die letzten Jahre mehrfach brach. Eine Schuldenunion wird nie kommen, die Asylkrise von 2015 darf sich nicht wiederholen, eine Corona-Impfpflicht ist undenkbar: all das war schnell „Geschwätz von gestern“

Blau-gelbe Träume vom Bargeld-Ende

Gut möglich, dass es beim Konzept Bargeld ähnlich ist. Und traut man dem gruseligen Video, das der ukrainische Vizepremier im Sommer in sozialen Medien teilte, will sein Land noch vor 2030 – ohnehin bei allen Globalisten-Ideen das Schlüsseljahr – das erste bargeldlose Land in Europa sein. Zugleich will man die Verwaltung per Digitalisierung schlanker machen – im Zentrum des Ganzen steht die staatliche DiiA-App. Freilich muss er sich beeilen, denn die Schweden tüfteln schon seit Jahren an der E-Krone.

Im Land im Norden zahlt seit Jahren außer Senioren und Kindern fast niemand mehr mit Bargeld. Auch sonst sind die Skandinavier für Innovationen offen, die Mitteleuropäer eher das Gruseln lehren würden. So ließen sich einige Schweden ihren Impfstatus per Mikrochip implantieren, um sich damit jederzeit ausweisen zu können. Gemütlichkeit geht ihnen über Sicherheit. Bei diesem Mindset spart man sich die Verbote. Das Resultat ist gleich: Am Ende ist man dem System auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Drohender Abbau der Souveränität

Soziale Unattraktivität, schlechte Verfügbarkeit, notfalls Strafzahlungen für die Benutzung und – wie in einigen südeuropäischen Ländern – strikte Obergrenzen für Barzahlungen, bei denen nicht einmal mehr Familien einen Gebrauchtwagen bar auf die Kralle bezahlen können, reichen völlig aus, um dem Bargeld den schleichenden Garaus zu machen. Viele Kritiker dieses Trends beschwören, Bargeld sei „gedruckte Freiheit“. Das stimmt freilich vor allem im übertragenen Sinne: Es ist gedruckte Souveränität.

Bricht man es herunter, ist es zwar auch aus dem Nichts kreiertes Fiat-Geld unter der Fuchtel der EZB. Der Wert besteht darin, dass Leute glauben, es sei mehr als ein nutzloser Fetzen aus Papier, Kunstfasern und Hologrammen. Die Meisten lagern es ohne Zinserträge am Konto oder Sparbuch und somit ohnehin im Einflussbereich der Banken. Aber: Ist es einmal in der Geldbörse, unter der Matratze oder auf dem Speicher, befindet es sich eben einzig und allein in der eigenen Verfügungsgewalt. Nullen und Einsen hingegen passen nicht ins Geheimfach von Omas Schmuckschatulle.

Statt Freiheit zerstörte Existenzen

Die ganze Debatte hat einen weiteren Aspekt: Die letzten Jahre zeigten, dass technischer Fortschritt oft Segen und Fluch in einem Atemzug ist. Auch die Verlagerung von Transaktionen in den digitalen Bereich ist nicht das Grundproblem. Es gab einen Zeitraum, in dem die vage Hoffnung bestand, dass dezentrale Kryptowährungen in der Lage sein könnten, das Geldsystem so zu revolutionieren, dass die Macht über das Geld wieder bei den Menschen und nicht bei Banken, Hedgefonds & Spekulanten ruht.

Der große Unterschied bei den CDBC ist der Wunsch der Mächtigen, zumindest theoretisch darüber verfügen zu können. Nach Kündigungen von Konten und Bezahldiensten bei Migrations-, Corona- und Globalismuskritikern, alternative Medienmachern und Firmen aus der patriotischen Gegenkultur ist klar: Bestimmen „höhere Mächte“ darüber, können sie alle ausschließen, die gegen den Strich bürsten. Wer in der bargeldlosen Dystopie der Zukunft aus dem System fliegt, kann weder Miete noch Essen zahlen und ist von Sachspenden abhängig.

Gefangen zwischen Utopie und Dystopie

Letztendlich gründet meine Ablehnung auf einer Mischung dieser Baustellen. Ich weiß nicht, ob ich in einer Welt leben will, wo alles und jeder dauernd über zigtausende Sensoren und Wellen miteinander verbunden ist. Wo immer mehr Konsumdaten erhoben werden, um den Leuten ständig neue Gadgets & Trends schmackhaft zu machen, die niemand braucht. Eine Welt, in der ein Obdachloser sein Handy-Wallet hinstreckt, damit man ihm ein paar Digital-Cent für eine Semmel überweist und Beamten der Finanzpolizei sofort wissen könnten, unter welcher Brücke die Transaktion stattfindet.

Glaube ich, dass sich der Trend vollständig umkehren lässt? Die Rückbesinnung auf ein analoges und entschleunigtes Leben wird es wohl nicht spielen; außer vielleicht als Krisen-Nebenprodukt, sollte alles „krachen gehen“. Aber ein wachsames Auge tut Not. Sicher gibt es archäofuturistische Utopien, in denen der technische Fortschritt souveränen und freien Völkern dient. Aber selbst, damit solche Träumereien Wirklichkeit würden, müsste man die Entwicklung zuerst so weit bremsen, dass die Umsetzung im Idealfall erst spruchreif würde, wenn die Globalisten nichts mehr zu sagen haben.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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