Exklusiv: Vorwort von Martin Sellner zum Buch „Die Dämonisierung durchbrechen“

Das 2022 erschienene Buch von Jean-Yves Le Gallou mit dem Titel „Die Dämonisierung durchbrechen“ will den Dämonisierten, den Ausgegrenzten, die Kraft und die Mittel geben, wieder erhobenen Hauptes zu gehen – und sich zur Wehr zu setzen. Im Folgenden veröffentlicht FREILICH das von Martin Sellner verfasste Vorwort zum Buch in voller Länge.

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Exklusiv: Vorwort von Martin Sellner zum Buch „Die Dämonisierung durchbrechen“
© Martin Sellner

„Wir sind Verfemte“ – diese bittere Erkenntnis muss wohl jeder Rechte ziehen, der sich heute in Deutschland und Europa öffentlich zu seiner Weltanschauung bekennt. In jeder Epoche und in jeder Gesellschaft gab es gesellschaftlich ausgegrenzte Randgruppen. Meist handelte es sich dabei um kriminelle Elemente oder religiöse Sekten. Zum ersten Mal in der Geschichte werden indes in unserem Land Patrioten aller Couleur, ja selbst „Wertkonservative“ ausgegrenzt. Die Dämonisierung begleitet uns auf Schritt und Tritt.

Ich selbst habe in meinem Leben am eigenen Leib erfahren, wie die Mechanismen wirken, die im vorliegenden Buch formidabel offengelegt werden. Die Dämonisierung ist unglaublich effektiv und verpestet seit Jahrzehnten unsere politische Debatte. Sie lähmt den Diskurs und verpasst unserer Demokratie eine gewaltige linke Schlagseite.

Die Dämonisierung ist dabei ein guter Überbegriff für einen Druck, der auf vier Ebenen gegen alle tatsächlichen Dissidenten ausgeübt wird: Schert man aus den vorgegebenen Meinungskorridoren aus, setzt es zuerst sozialen Druck. Freunde und Kollegen wenden sich ab. Man setzt üble Nachrede ein. Führt das nicht zum Einlenken, folgt der wirtschaftliche Druck. Man verliert die Arbeit oder Kunden springen ab. Im schlimmsten Fall kostet es einen die „bürgerliche Existenz“. Die meisten ziehen sich darauf, gebrochen und ausgebrannt, in die vermeintlich schützende Anonymität und den Konformismus zurück. Wer weiter öffentlich Widerstand leistet, macht Bekanntschaft mit der dritten Ebene: Der vom Staat mehr oder weniger geduldete linke Terrorismus nimmt einen ins Visier. Es kommt zu physischen Angriffen auf Eigentum, Leib und Leben. Hält man selbst diesem Druck stand, so greift am Ende der Staat selbst ein. Wenn alle Methoden der Zersetzung scheitern, setzt es den chirurgischen Schnitt des Verbots und der Anklage, um den unerwünschten „Auswuchs“ zu entfernen.

Am Beginn dieses Spießrutenlaufs der Repression steht jedoch – als Fundament für alles weitere – die Dämonisierung. Die Presse generiert ein Zerrbild einer Person oder Organisation, das alle weiteren Angriffe und Übergriffe rechtfertigt. Im Laufe meines aktivistischen Lebens habe ich mit vielen Journalisten gesprochen. Das Ergebnis war fast immer das gleiche. Der „Schreibtischtäter“ hatte von Anfang an eine fixe Schablone und ein Narrativ im Kopf, das er lediglich mit Schlagworten füllen musste. Oft wirkte es so, als wäre das Interview eine reine Formalität, um den vorher zurechtgelegten Text besser „rechtfertigen“ zu können.

„Alter Wein in neuen Schläuchen“, „vorgetäuschte Harmlosigkeit“, „freundliche Fassade“ etc. waren und sind die immer wiederkehrenden Schlüsselbegriffe dieser Dämonisierung. Die journalistische Auseinandersetzung wird zum Akt der „Entlarvung“, durch die der „versteckte Nazi“ sichtbar gemacht werden soll. Gewalttätigkeit und Extremismus werden, wo sie nicht gefunden werden können, einfach erfunden.

Als ich einmal in Wien nach einer AntifaKundgebung in einer U-Bahn-Station von einem linken Rollkommando überfallen wurde und mich mit einer Pfefferspraypistole wehrte, titelten die Zeitungen tags darauf: „Identitären-Chef schießt in U-Bahn-Station um sich“. Linksextreme Attacken auf unsere Kundgebungen wurden von der Presse hingegen mit perfiden Irreführungen wie „Ausschreitungen bei IdentitärenDemo“ relativiert.

Als wir zu einer Mittelmeermission unter dem Titel „Defend Europe“ aufbrachen, um dort das Treiben der NGOs und Schlepper zu dokumentieren, behauptete man völlig substanzlos, dass wir Boote von Migranten versenken wollten. Den Gipfel der Dämonisierung der Identitären Bewegung (IB) und meiner Person stellten jedoch die an den Haaren herbeigezogenen „Verbindungen“ zu einem australischen Terroristen dar. Weil dieser rund ein Jahr vor seiner Tat an unsere Bewegung und mich Geld gespendet hatte, wurden wir quasi über Nacht zur Terrorbewegung. Das stimmte zwar nicht, aber indem man uns so behandelte wie Terroristen und mit Einreiseverboten, Razzien, 24-Stunden-Überwachung und Medienhetze malträtierte, wirkte es auf die Öffentlichkeit so, als wäre an den Vorwürfen etwas dran.

„Irgendwas muss ja dahinterstecken“ – so die verständliche Annahme der Normalbürger, die ein Grundvertrauen in Staat und Gerichtsbarkeit pflegen, „denn grundlos würde man nicht so hart gegen die vorgehen“.


➡️ Jean-Yves Le Gallou – Die Dämonisierung durchbrechen


Damit wird, in der Endphase der Dämonisierung, die Dämonisierung selbst zu ihrer eigenen Begründung: Weil man die Person wie einen Verbrecher behandelt, muss sie einer sein. Die Durchführung einer Razzia begründet für die Öffentlichkeit einen Verdacht, der sie ex post rechtfertigt. Daher half es mir auch wenig, dass einige Jahre später alle Verfahren eingestellt und alle Hausdurchsuchungen für rechtswidrig erklärt wurden. Der Verdacht regiert weiter, denn „da war ja irgendetwas mit Terrorismus“. In jeder Debatte kommt dieser falsche Vorwurf der „Nähe zum Terror“ auf. Da man ihn nicht auf sich sitzen lassen kann, kostet seine Widerlegung Zeit und bringt einen in die Defensive. Kein Wunder also, dass andere rechte Akteure dämonisierte Bewegungen und Personen eher meiden, um sich nicht diese „Bürde“ aufzuladen.

Das Problem lautet: Es kann jeden treffen. Der Grund für die Dämonisierung der IB war nicht der Inhalt ihrer Aktionen, sondern deren Erfolg. Jeder rechte Akteur, vom Politiker über den Journalisten bis zum Aktivisten, kann jederzeit „abgeschossen“ werden. Deswegen ist das vorliegende Buch so bedeutend und so zeitgemäß. Wenn Rechte aller Schattierung nicht lernen, mit der Dämonisierung umzugehen, ihre Mechanismen zu verstehen und auszuschalten, werden sie ihr Leben lang von Linken aller Schattierung vor sich hergetrieben.

Aus den großen Visionen einer „Kulturrevolution von rechts“ und der „Verschiebung des Overton-Fensters“ werden hier klare, knapp formulierte und direkt umsetzbare Thesen. Mit dem typisch französischen Esprit und bewandert im symbolischen und mythischen Kosmos der Nouvelle Droite, liefert Jean-Yves Le Gallou eine Selbstverteidigungsanleitung gegen die beste Waffe des politischen Gegners: die Dämonisierung.

Die Diversity-Doktrin, die Le Gallou als „dreifachen Regenbogen“ beschreibt, verteidigt ihre kulturelle Hegemonie nun mal mit schmutzigen Mitteln. Eine „Armee der Dämonisierung“ setzt jeden Tag Millionen an Kapital und Personal in Bewegung, um mit Zensur und Propaganda ihre geistige Herrschaft zu zementieren. Le Gallou beschreibt anhand vieler Beispiele, die jeder Rechte aus seinem eigenen Leben oder zumindest dem Umfeld kennt, wie die „Söldner des Regenbogens“ Menschen zur Unterwerfung unter ihre Diskursregeln zwingen. Die totale Dämonisierung bestimmter Ideen und ihrer Vertreter, in Verbindung mit dem sozialen, wirtschaftlichen und terroristischen Druck, zwingt Millionen von Bürgern, ihre Meinung geheim zu halten. Sie tragen eine „Maske“ der Konformität in der Öffentlichkeit und stärken damit die Wirkung der Einstimmigkeit. Schlimmer noch: Le Gallou zeigt auf, wie Jahre der äußerlichen Verstellung zur Internalisierung der gegnerischen Parolen führen. Wer sich lange genug verstellt, um nicht aufzufallen, und wer dabei seine Umgebung nicht ändert, wird schließlich selbst von ihr verändert. Der innere Widerstand bricht und wie in George Orwells 1984 beginnt man die tausendfach wiederholte Lüge zu glauben: „Vielfalt ist unsere Stärke“.

Dagegen empfiehlt uns Le Gallou den offenen, selbstbewussten und kompromisslosen Widerstand. Die Dämonisierung ist unausweichlich. Sie ist Ausdruck der Herrschaft unseres Gegners. Wer nicht von ihm dämonisiert wird, ist entweder auf seiner Seite oder so unwirksam und irrelevant, dass er den Aufwand nicht wert ist.

Gewiss: Nicht jeder, der dämonisiert wird, ist automatisch ein effektiver und erfolgreicher Akteur. Le Gallou warnt die Rechte vor einem ideologischen „Laissez-faire“, in dem sich die wahnsinnigsten und extremsten Ideen durchsetzen würden. Gerade weil die Dämonisierung allgegenwärtig ist, gilt es, nicht zu dem Zerrbild zu werden, das der Gegner von einem zeichnet. Doch macht der Autor uns mit erfrischender Deutlichkeit klar, dass jeder erfolgreiche rechte Akteur vom Gegner dämonisiert werden muss. Es gilt also die metapolitische Vernichtungstechnik zu antizipieren und mit ihr umzugehen.

Hier ist Le Gallous entscheidende Botschaft der Vorrang der Solidarität. Viel zu viele Rechte denken, dass der enge Raum des Sagbaren größer wird, indem sie andere, „radikalere“ Rechte ausstoßen. Tatsächlich machen sie sich so zu Agenten des Gegners, der die Grenze des Sagbaren täglich enger zieht. Die „Distanzeritis“, die, wie uns dieses Buch beweist, kein rein deutsches, sondern ein Phänomen aller Oppositionen in westlerisch-liberalen Demokratien ist, gilt es zu überwinden.

„Dämonisiere deinen Nachbarn nicht“, lautet daher eines der wichtigsten Gebote von Le Gallou, denn: Es entdämonisiert dich selbst nicht, doch stärkt es die Kraft der Dämonisierung an sich. Auch wenn andere Rechte einen Fehler begehen, gilt in dubio pro reo. Erst ein Korpsgeist, den das linke Lager einigermaßen stabil vorlebt, schafft gegenseitiges Vertrauen und den Mut zur Provokation und Innovation, der unseren Gegner so weit voranbringt. Wenn Rechte sich bei der kleinsten Grenzüberschreitung und bei jedem Empörungssturm sofort lautstark voneinander distanzieren und mit wehenden Fahnen auseinanderstoben, führt das zu einem übervorsichtig-passiven Verhalten der Akteure. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Nur wer sich versteckt, fällt nicht auf. Das Gegenteil empfiehlt uns Le Gallou. Mut zur Provokation, ja Mut zur Blamage – und im Zweifel gegen die Angriffe des Gegners zusammenstehen. Die Dämonisierung muss im rechten Lager vom Makel und Gegenstand des Horrors zum Ehrenabzeichen und angesehenen Orden werden. Wer nicht dämonisiert wird, sollte sich, angesichts seiner Tatenlosigkeit und Erfolglosigkeit, rechtfertigen müssen! Le Gallou erkennt im Humor eine unschlagbare Waffe gegen das verkrampfte linke „Empörium“. Die Dämonisierung kann effektiver „weggelacht“ als „wegerklärt“ werden. Rechte sollen zudem die Funktionsweise der Kontaktschuld um jeden Preis vermeiden und auch die Auseinandersetzung mit Personen aus dem dissidenten Lager nicht scheuen, die als besonders verrufen und verpönt gelten. Wer akzeptiert, dass der bloße Kontakt und die Anerkenntnis einer Person als Gesprächspartner bereits eine „Verbrüderung“ darstellt und einen zur Distanzierung zwingt, unterwirft sich bereits dem Gegner. Denn im linken Lager gilt dieses Prinzip nicht, und Politiker vernetzen und unterhalten und solidarisieren sich schmerzfrei noch mit den radikalsten Vertretern des eigenen Spektrums. Als positive Beispiele für eine Überwindung der Feigheit, Distanzeritis und den Durchbruch gegen die Mauer der Dämonisierung führt der Autor immer wieder Viktor Orbán und Éric Zemmour an. Beide haben niemals zurückgesteckt, haben niemals Schwäche gezeigt oder sich auf Zuruf distanziert. Geschadet hat es ihrer Strahlkraft und ihrem Erfolg nicht, selbst wenn Zemmour der politische Erfolg Orbáns bisher verwehrt blieb.

Voraussetzung für die Überwindung der Dämonisierung ist jedoch mehr als eine strategische Einsicht. Es ist eine geistige Haltung – der Autor nennt sie die „innere Zitadelle“, die auch Johanna von Orléans und Alexander Solschenizyn ihre Kraft gab. Das Wissen darüber, im Recht zu sein, die Wahrheit zu sagen und als Erbe einer uralten Tradition seine Ahnen stolz zu machen, gibt dem Dissidenten die Kraft, die Dämonisierung der Zeitgemäßen lächelnd zu ertragen. Le Gallou ist hier Realist genug, um mythisch zu denken. Ohne eine große Vision und ein begeistertes „Wozu“ ist das „Wie“, also die Angriffe der „Armee der Dämonisierung“, nicht zu ertragen. Der Kampf um die kulturelle Hegemonie kann nur gewonnen werden, wenn ausreichend rechte Akteure die Botschaft Le Gallous hören und verinnerlichen. Das „Overton-Fenster“, das zu Beginn dieses Handbuchs genau erklärt wird, lässt sich nur nach rechts verschieben, wenn es eine mutige Avantgarde gibt, die den Willen zur Provokation hat.

Ich will im Folgenden Le Gallous metapolitisches Inventar um ein weiteres Instrument ergänzen, das für den politisch aktiven Leser lebensrettend werden kann. Es handelt sich um die „anschlussfähige Provokation“. Wenn wir uns das Overton-Fenster als staatliche Grenze vorstellen, welche die politische Landschaft durchzieht, so müssen wir feststellen, dass die Gebiete, in denen wir leben wollen, weit jenseits der „Zivilisationsgrenze“ liegen. Das Zentrum, in dem es sich gut und unbehelligt am „Herdfeuer der gesellschaftlichen Mitte“ lebt, ist bereits tief im linken Herzland angesiedelt. Wer sich dieser „subjektiven Mitte“ annähern will, geht objektiv betrachtet nach links.

Rechte haben, wie ihr Name sagt, die Aufgabe, diese Grenzlinie nach rechts zu verschieben, was tatsächlich eine Reconquista, also eine Rückeroberung des politischen Brachlands, darstellt. Wie ist das zu machen? Le Gallou gibt uns im Buch über die Analyse linker Machttechniken die Antwort. Die Setzung und Wiederholung von Begriffen normalisiert sie. Die Setzung eines verpönten Begriffs außerhalb des Overton-Fensters, denken wir etwa an den „Bevölkerungsaustausch“, gleicht der Errichtung eines metapolitischen Biwaks im Brachland. Dort auszuharren ist hart. Fernab von den Freuden der „politischen Zivilisation“ ist man den beschriebenen Angriffen und Dämonisierungsattacken ausgesetzt. Doch wenn man es schafft, die begriffliche Stellung zu halten und „Nachschub“ zu sichern, bewegt man mittelfristig das Overton-Fenster nach rechts. Denn jeder Begriff, der wieder und wieder genannt und damit Teil des Diskurses wird, normalisiert sich und dringt, selbst in seiner Kritik und scheinbaren „Widerlegung“, in die Debatte ein. Entscheidend für diese Aufgabe ist die richtige Wahl der Begriffe und die richtige Planung des metapolitischen Vorstoßes ins Niemandsland. Hier kommen wir zum Prinzip der „anschlussfähigen Provokation“. Es trifft auf jede rechte politische Aktivität zu. Der gewählte Begriff, die geäußerte Forderung, das verwendete Sujet oder der Bannerspruch müssen provokant genug sein, um das Overton-Fenster wirklich zu verschieben. Gleichzeitig müssen sie anschlussfähig genug sein, um ihre Wirkkraft durch Wiederholung und Normalisierung zu erreichen.

Ist ein Akt nicht provokant genug, und ist das Overton-Fenster nur wenige Schritte von der (scheinbaren) Mitte entfernt, ist es leicht, die Zustimmung der Mehrheit der gemäßigten Rechten und sogar ein paar freundliche Gesten aus der „Mitte“ zu erhalten. Doch was bewirkt das? Bestenfalls bremst es den Zug des OvertonFensters nach links ein wenig ab. Hauptsächlich jedoch verschafft es demjenigen Popularität und Einkommen, der diesen ziellosen Betrieb der politischen Bespannung betreibt. Eine ganze Armada an „rechten“ Politikern und sensationsgierigen „Infokriegern“ tut nichts anderes als genau dieses Potential mit anschlussfähigen, pseudokritischen Botschaften zu bespaßen, die keine echten metapolitischen Fortschritte bringen. Ein wichtiges Indiz dafür ist, dass der Bevölkerungsaustausch selbst nie angesprochen wird und man sich stattdessen bloß an seinen Kollateralschäden wie der Islamisierung, importierter Kriminalität, Parallelgesellschaften etc. abarbeitet. Dasselbe gilt für Auswüchse der modernistischen, linksliberalen Ideologie – vom „Genderwahn“ bis zum antiweißen Selbsthass –, die jedoch nie auf ihren geistigen Kern zurückgeführt werden. Als scheinbare Lösungen fordert dieser übertrieben anschlussfähige Matador meist wenig anstößige, aber inhaltsleere „Lawand-Order“-Positionen und eine Rückkehr zu einem freilich nicht näher definierten „gesunden Menschenverstand“ ein.

Die andere Extremposition ist die totale Provokation. Hier gefällt sich der Dissident in der eigenen abschreckenden Wirkung. Er sucht die Dämonisierung und glaubt fälschlicherweise, dass sie automatisch ein Gradmesser für Erfolg, Authentizität und Ehrenhaftigkeit sei. Doch auch ein Kinderschänder oder Terrorist wird (zurecht) dämonisiert: Nicht alle Dämonisierten sind erfolgreiche Metapolitiker, doch alle erfolgreichen Metapolitiker werden dämonisiert.

Wählt man einen Begriff, ein Bild oder eine Forderung so, dass sie unendlich weit von der Grenze des Overton-Fensters entfernt ist, fällt dem Gegner die Dämonisierung besonders leicht. Der geistige Weg aus der Mitte hin zum eigenen vorgelagerten Standpunkt ist so unendlich weit, dass ihn nur wenige gehen werden. Dementsprechend tritt der Effekt der Wiederholung und Normalisierung nicht ein. Im Gegenteil: Richtet man sich in der Position des erfolglosen Avantgardisten ein und wird dort versprengt und ohnmächtig zum Prügelknaben des Systems, so erreicht man die gegenteilige Wirkung. Man wird zur politischen „Vogelscheuche“ und schreckt, in seinem verwilderten, extremen Äußeren, nur noch ab.

Nur eine Forderung, die zugleich anschlussfähig und provokant ist, vermag es, die breite Zustimmung und Unterstützung rechts der Mitte zu sammeln, zu fokussieren und zu einem breiten Vorstoß über die Linie zu organisieren. Wird das von Rechten gezielt und wiederholt betrieben, verschieben sich die Grenzen. Begriffe und Ideen werden normalisiert. Ein Ökosystem dissidenter Bewegungen, Projekte, Verlage und Parteien richtet sich jenseits der Grenze des Overton-Fensters ein und zeigt den „Insassen“, dass ein Leben im Freien möglich ist. Ein Strom an Neugierigen folgt ihnen. Geheime Strom- und Wasserleitungen werden in diese neurechten Pionierlager gelegt, Ressourcen aus dem System werden abgeleitet und machen das Brachland bewohnbar. Grenzgänger überschreiten die vorher unüberwindbar wirkende Linie spielerisch, und ehe man sich versieht, sind Dinge denkbar, sagbar und machbar geworden, die gestern noch unvorstellbar waren.

Dieses Bild beschreibt die Aufgabe der „Kulturrevolution von rechts“, die eine langfristige Aufbauund Pionierarbeit der gesamten „Mosaik-Rechten“ (Benedikt Kaiser) darstellt. Die Prinzipien der Solidarität, des Muts, der Unbeirrbarkeit, die Le Gallou in seinem nun folgenden Buch beschreibt, sind unerlässlich für dieses Unternehmen. Ohne Zweifel: Diese Schrift gehört ins Handgepäck eines jeden neurechten Pioniers!

Wien, Mai 2022