Alternativ sein – drei Porträts der neuen AfD

Im Stillen wandelt sich die AfD von einer bloßen Protestpartei zu einer Partei mit alternativem Politikansatz. Drei Porträts über die jungen AfD-Politiker Sebastian Münzenmaier, Roger Beckamp und Tomasz Froelich.

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Alternativ sein – drei Porträts der neuen AfD
Tomasz Froelich, Roger Beckamp, Sebastian Münzenmaier© Tomasz Froelich / Wolsberg, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons / Sebastian Münzenmaier

Durch die deutsche Parteienlandschaft verläuft ein Riss. Auf der einen Seite stehen die etablierten Parteien von der Union bis zur Linkspartei. Auf der anderen Seite – die AfD. Bundesweit liegt sie bei rund 10 Prozent. Ihre Vertreter werden regelmäßig Ziel linker Anschläge, verlieren ihre Arbeit und werden sozial ausgegrenzt. Der dem Innenministerium unterstehende Inlandsgeheimdienst will sich die Partei vorknöpfen. Mainstreamjournalisten fahren gegen sie schweres Geschütz auf. Und die parlamentarische Außenwirkung der AfD? Von einigen Coups wie der (dann rückgängig gemachten) Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten oder der Nominierung des Ökonomen Max Otte für das Amt des Bundespräsidenten abgesehen: überschaubar. Dazu Wahlschlappen wie jüngst in Nordrhein-Westfalen, wo man gerade noch die Fünfprozenthürde nahm, oder in Schleswig-Holstein, wo man erstmals wieder aus einem Landesparlament flog.

„Alternativen“ und Alternativen

Diesem Druck, der auf all jenen lastet, die sich für die Partei engagieren, widerstehen nicht alle. Insbesondere die Anhänger einer an die Parteien der extremen Mitte (CDU/CSU und FDP) anschlussfähigen AfD ziehen ein ums andere Mal die Reißleine. Zuletzt erklärte Jörg Meuthen, seit 2015 Co-Bundessprecher der Partei, am 28. Februar 2022 seinen Austritt – freilich, ohne sein Mandat im EU-Parlament abzugeben. Er setzte damit die unrühmliche Tradition der ehemaligen Bundessprecher Bernd Lucke und Frauke Petry fort. Diesen Schritt begründete Meuthen, der seitdem von Talkshow zu Talkshow tourt, im Gespräch mit dem TV-Journalisten Markus Lanz am 9. Februar damit, dass sein Versuch, die AfD auf einen „bürgerlich-konservativen Kurs“ zu bringen, gescheitert sei. Sein Ziel sei es gewesen, die AfD zu einer „bürgerlich-konservativ-freiheitlichen Partei“ zu gestalten. Dieser Weg habe in der Partei jedoch keine Zukunft, er selbst sei „ein Feldherr ohne Truppen“ gewesen, so der 60-Jährige. Die Frage, ob es für die Alternative für Deutschland als Alternative eine Zukunft gebe, habe er für sich zuletzt mit Nein beantworten müssen.

Nähert man sich der gleichen Frage von einem neutralen Standpunkt, so muss die Antwort differenzierter ausfallen. Die Feststellung ist trivial: Eine Alternative zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich von den anderen Optionen klar unterscheidet. Ein „bürgerlich-konservativer Kurs“ à la Jörg Meuthen, dessen Endziel in der Koalitionsfähigkeit besteht, führte unweigerlich zu einem stumpferen Profil – und letzten Endes zur Indifferenz. Wer Alternative sein will, muss sich in den wesentlichen Parametern von seinen Mitbewerbern unterscheiden. Wollte man zuspitzen, könnte man festhalten, dass die AfD nach dem Austritt Meuthens wieder einen Schritt in Richtung Alternative getan hat.

Einer, der danach strebt, das Profil der Blauen als Alternative zu schärfen, ist Sebastian Münzenmaier aus Mainz. Er sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag und schaffte im vergangenen Jahr den Wiedereinzug auf Platz 1 der Landesliste Rheinland-Pfalz. Die „Idee einer rechten, freiheitlichen Partei“ habe ihn bereits früh euphorisiert. Nach einem kurzen Gastspiel in der islamkritischen Kleinpartei Die Freiheit kam Münzenmaier 2013 zur AfD. „Wir erleben, dass jede positive Selbstverständlichkeit, alles, was unser gemeinschaftliches Zusammenleben in Deutschland ausmacht, in Auflösung ist“, erklärt er im Gespräch mit FREILICH. Und er ergänzt: „Wer heute davon ausgeht, es gebe ein genuin deutsches Volk, wird von den Sicherheitsbehörden als Staatsfeind gelistet. Diese Abkehr vom Grundsätzlichsten, die führt dann dazu, dass auch alle anderen Grundsätze des Zusammenlebens aufgelöst werden. Wenn man meint, es gäbe kein Volk, oder den Begriff und die Substanz dahinter aktiv bekämpft, dann führt das zwangsläufig dazu, dass sich alles, was hier passiert, auf lange Sicht gegen das Volk richtet.“ Dieser Entwicklung gelte es entgegenzutreten – „politisch, aber auch gesellschaftlich“. Dies sei auch der Grund für sein Engagement in der AfD: „Es gilt, dieser zerstörerischen Entwicklung eine positive Alternative entgegenzusetzen. Ein Angebot an unsere Bürger, eine Idee für eine bessere Zukunft, deren weltanschaulicher Kern, kurz gesagt, die Sehnsucht nach Heimat, relativer Homogenität und Identität ist, und damit meiner Meinung nach die Grundlagen eines nachhaltigen sozialen Friedens und einer gedeihlichen Zukunft überhaupt.“

Für das Volk da sein

Sebastian Münzenmaier macht aus seiner Haltung keinen Hehl: Er sieht die AfD zuvörderst als „Gegenentwurf zur Auflösung der Substanz“. Auf der Basis dieses Grundkonsens – Münzenmaier spricht vom „kleinsten gemeinsamen Nenner“ – spielen „vermeintliche ideologische Gegensätze“ eine nachgelagerte Rolle. Diese Position trägt er auch nach außen. Münzenmaier gilt als eine Nachwuchshoffnung der Partei. Seine Auftritte im Bundestag sind gleichermaßen sachlich wie kompromisslos. Populistischer Habitus und Effekthascherei liegen dem bekennenden Anhänger des 1. FC Kaiserslautern fern. An den öffentlich ausgefochtenen innerparteilichen Streitigkeiten zwischen dem aufgelösten „Flügel“ und dem liberal-konservativen „Meuthen-Lager“ beteiligt er sich nicht. Dennoch ist Münzenmaier keiner, der sich verbiegt. „Man muss den Gegenwind aushalten können und darf sich nicht den von unserem politischen Gegner, der uns ja politisch tot sehen will, aufgestellten Spielregeln beugen, um diesem Gegner zu gefallen. Gleiches gilt für das krampfhafte Anbiedern an völlig falsche Zielgruppen“, unterstreicht er in Richtung der anschlussaffinen AfD-Funktionäre, deren Position nach dem Meuthen-Exit geschwächt ist. Es gelingt ihm, in seinem Politikansatz die Radikalität des „Gegenentwurfs zum Mainstream“ mit Professionalität zu verbinden. Münzenmaier selbst bezeichnet seinen Kurs so: „Ein solider politischer Standpunkt, der fundiert, alternativ, aber zugleich anschlussfähig ist.“ Und das kommt an. Der SWR konstatiert: „Für die Außendarstellung der AfD könnte der 32-jährige Münzenmaier noch wertvoll werden.“

Entscheidend ist in diesem Kontext auch die Frage, welche Rolle die AfD in einem ausdifferenzierten rechten „Mosaik“ spielen soll und kann. Dazu hielt der Publizist Andreas Karsten in FREILICH 14 fest: „Gerade in Zeiten gesellschaftlichen Wandels und einer zunehmenden Polarisierung der Öffentlichkeit nehmen dezentrale Protestbewegungen eine wichtige Rolle im Prozess der politischen Willensbildung abseits institutionalisierter Parteistrukturen ein.“ Ein Blick nach links bestätigt Karstens These. Wären die Wahlerfolge der Grünen denkbar ohne die Arbeit Tausender Journalisten, das Wirken unzähliger NGOs oder den Aktivismus der Klimaschützer? Wohl kaum. Auch hier geht Münzenmaier seinen Parteikollegen voran: Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2021 verloste Münzenmaier zehn Exemplaredes Romans „EuropaPowerBrutal“, der im Jungeuropa Verlag erschien. Anlass hierfür bot ihm die von der schwarzen Aktivisten Jasmina Kuhnke (alias „Quattromilf“) angestoßene Kampagne gegen den Verlag aus Dresden. „Es braucht ein umfassendes, positives und konstruktives oppositionelles, freiheitliches Lager“, erklärt Münzenmaier. Wolle die AfD eine „feste und verlässliche Größe in der politischen Landschaft“ werden, brauche es nicht nur ein politisch-ideelles Fundament, eine professionelle und lernwillige Parteistruktur sowie eine gute Nachwuchsförderung, sondern auch die „Einbindung in gesellschaftliche Milieus“. „Das erreicht man natürlich nur, wenn man volksnah bleibt, ein Gespür für die wichtigen gesellschaftlichen Probleme hat und gute und alternative Lösungsansätze anzubieten und in die Willensbildung einzubringen weiß. Der Transmissionsriemen sind dabei“, so der Abgeordnete, „sowohl die Arbeit in Partei und Parlament, aber auch entsprechende Initiativen außerhalb der Partei, im Vorfeld, wenn man so will.“

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Die vollständige Reportage über die AfD lesen Sie in der FREILICH-Ausgabe 17 „Neues Deutschland“.