Gropius-Bau in Berlin: Spiegelbild einer kranken Zivilisation

Im Zweiten Weltkrieg zerbombten die Alliierten den Gropius-Bau in Berlin. Die Eingeweide des verkrüppelten Neorenaissance-Gebäudes zernagen heute moderne Kunstausstellungen.

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29.11.2023
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Gropius-Bau in Berlin: Spiegelbild einer kranken Zivilisation
Eismeer-Installation aus Styroporplatten des Künstlertrios General Idea im Lichthof des Gropius-Baus© FREILICH

Ein Eismeer aus über tausend weißen Styroporplatten türmt sich im arkadengesäumten Lichthof des Berliner Gropius-Baus. Die Platten bilden einen grellen Kontrast zu den schwarzen Pfeilern mit den goldglänzenden korinthischen Kapitellen. Erst beim Umrunden fallen sie auf: Hinter den Eisbergen verbergen sich drei Robbenbabys. Eine Ausstellungstafel erklärt: Die Stofftiere sollen auf die Grausamkeit der Robbenjagd hinweisen. Brigitte Bardot habe das Schicksal der kanadischen Robben in den 1970er-Jahren auf die Agenda der progressiven Schickeria gesetzt. Für Aidskranke habe es damals dagegen wenig Sympathie gegeben, merkt eine Ausstellungstafel an.

Fragwürdige Ausstellung im Gropius-Bau

Über mangelnde Sympathie können sich Aidskranke heute nicht mehr beklagen: Zumindest nicht im Gropius-Bau, dessen Ausstellungen von den Berliner Festspielen kuratiert werden. Derzeit sind dort über 200 Werke des kanadischen Künstlertrios General Idea zu sehen. Zwei der Künstler starben 1994 an AIDS. Der einzige Überlebende: AA Bronson. Mit ihm haben die Berliner Festspiele, gefördert vom Land Berlin und dem Bund, die Ausstellung General Idea konzipiert. Die Ausstellung ist noch bis Mitte Januar 2024 im Gropius-Bau zu sehen.

Die Fassade des Ausstellungshauses besteht aus roten Ziegeln und hellem Naturstein. Aus Letzterem bestehen der Portikus und die sechs Adikulae, die die Fenster des Erd- und Obergeschosses einfassen. Auf den drei Terrakottafriesen, die das Gebäude umgeben, tummeln sich Putten und Allegorien der Künste und des Handwerks. Namenstafeln erinnern an große Architekten unseres Vaterlandes wie Peter Flötner und Karl Friedrich Schinkel. Die mächtige Kassettendecke erinnert an die florentinischen Palazzi des Cinquecento.

Foto des Aufgangs vom Erdgeschoss ins Obergeschoss des Lichthofs im Gropius-Bau. ©FREILICH

Gut 20 Meter vom Portikus entfernt steht auf einem schwarzen Sockel eine silberne Skulptur, die aus den Buchstaben A, I, D, S besteht. Nach Auskunft der Pressestelle des Gropius-Baus gehört die Skulptur AA Bronson. Nach dem Ende der Ausstellung werde Herr Bronson die Skulptur wieder mitnehmen, wohin, sei nicht bekannt. Passend: Auf der Website des Gropius-Baus wird Claudia Roth als Aufsichtsratsvorsitzende der Berliner Festspiele genannt. Als Bundesbeauftragte für Kultur und Medien verwaltet die Grünen-Politikerin derzeit einen Jahresetat von 2,2 Milliarden Euro.

Vom Erdgeschoss im Lichthof gelangt man über eine Treppe in das Obergeschoss. Der Weg dorthin führt über massive Marmortreppen. Vorbei an grün-braunen Balustraden, die in der Mitte einen Kohlkopf darzustellen scheinen. Durch die Arkaden des Lichthofes gelangt man in die kostenpflichtigen Ausstellungsbereiche. Eine Installation setzt sich mit Technik auseinander: Auf einem Haufen türmen sich Dutzende abgenutzter Computergehäuse. Die Styroporplatten im Erdgeschoss funkeln wie Kristalle im Polarlicht einer Eiswüste. Ob die Platten auf die weißen Blutkörperchen anspielen, die bei AIDS-Kranken nur noch verringert im Körper anzutreffen sind?

Auferstanden aus Ruinen

Um ein Haar wäre der Gropius-Bau abgerissen worden. Im letzten Kriegsjahr wurde das 1881 eröffnete Gebäude durch alliierte Bomben schwer beschädigt. Seit seiner Eröffnung beherbergte das vom Architekten Martin Gropius entworfene Gebäude das Kunstgewerbemuseum Berlin. Bei den alliierten Bombenangriffen verbrannten Keller und Ausstellungsstücke. In den eigens für die Ausbildung eingerichteten Werkstätten und Bibliotheken lernten junge Menschen fast siebzig Jahre lang das Kunsthandwerk.

Unbeschädigte (links), restaurierte (Mitte) und zerstörte (rechts) Kreuzrippengewölbe im Arkadengang des Lichthofs. ©FREILICH

Es gehört zur Ironie der Kunstgeschichte, dass der Abriss des Gropius-Baus durch die Intervention des Großneffen von Martin Gropius verhindert wurde. Denn kaum ein anderer hat im 20. Jahrhundert mehr zur Zerstörung organisch gewachsener Bausubstanz beigetragen als der Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Mit seinen uniformen Massenbauten drückte Walter Gropius der Ästhetik des Jahrhunderts den Stempel des ameisenhaften Massenmenschen auf.

Nach Angaben der Pressestelle des Gropius-Baus war die Ruine bis 1966 dem Verfall und der Witterung ausgesetzt. Erst 1966 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. 1978 begannen die „Architekt*innen“ Winnetou Kampmann und Ute Weström mit dem Wiederaufbau. Dabei seien die „Spuren der Geschichte“ erhalten geblieben.

Terrakottafries unter dem Glasdach des Lichthofs des Gropius-Baus. ©FREILICH

Deutlich wird dies am Beispiel der Kreuzrippengewölbe, wo bei der Restaurierung auf die Wiederherstellung der exquisiten blau-braunen Färbung verzichtet wurde. Noch einfacher machte man es sich offenbar in den Bereichen, in denen auf die Wiederherstellung der zerstörten Bausubstanz gänzlich verzichtet wurde. Den gleichen Mut zur Lücke bewies man beim Terrakottafries, der unter dem rekonstruierten Glasdach an der Wand verläuft. Eine Wiederherstellung der zerstörten Friesbereiche sei nicht geplant, teilten eine Museumsmitarbeiterin und die Pressestelle mit.

Die Heilung einer kranken Zivilisation beginnt mit heiler Kunst

Wer die deutsche Geschichte nicht in Auschwitz enden sieht, sondern in ihr die Geburtsstätte bewahrenswerter Institutionen und himmelsstürmenden Geistes erkennt, den muss der heutige Gropius-Bau mit Wehmut erfüllen. Zum einen steht er für die materiellen Verluste, die unser Volk in zwei Weltkriegen erlitten hat. Für den Unwillen, mit dem unsere Eliten nach der amerikanischen Umerziehung nur halbherzig an die erreichte kulturelle Größe anzuknüpfen wagten.

Auf der anderen Seite dokumentieren die Ausstellungen im Gropius-Bau die Kapitulation unserer Eliten vor einer kosmopolitisch verkommenen Ästhetik. Ein Blick in das Ausstellungsprogramm des vergangenen Jahres zeigt unaussprechliche Namen von „internationalen Künstler*innen“ bis zu „indigenen Wissenssystemen“ und „Dekolonisation“. Wu Tsangs Ausstellung über surreale Meeresumgebungen wurde von der Stadt Berlin in den Jahren 2019 und 2020 mit insgesamt 420.000 Euro gefördert.

Wie können solche Installationen unser Herz berühren, wenn sie nicht aus der Geschichte unseres Volkes stammen, wenn sie nicht an die großen vormodernen Traditionslinien der europäischen Kunst anknüpfen? Die geistige Verwirrung unseres Landes, die sich insbesondere in der Transsexuellenbewegung auf Weise zeigt, beruht auf einer Verwirrung unserer ästhetischen Gefühle.

Um diesen Gefühlen unseres Volkes wieder die richtige Richtung zu geben, muss ein Paradigmenwechsel in der Kunst eingeleitet werden. Die konsequente Wiederherstellung des Gropius-Baus in seiner ursprünglichen Pracht und Funktion und die Entfernung volksferner Anywheres aus seinen Ausstellungen ist ein wichtiger Schritt in diesem Kulturkampf. Künftige Kuratoren eines anti-woken Berlins müssen nicht einmal in die ferne Vergangenheit blicken, um sich inspirieren zu lassen. Die Preußen-Ausstellung von 1981 bietet ein nachahmenswertes Beispiel.


Zur Person:

Jonas Greindberg studierte Geschichte und Sinologie in Süddeutschland. Seit Oktober 2022 schreibt er für FREILICH über Hamburger Lokalpolitik, Kriminalität und Einwanderungspolitik.


Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.