Am Schweizer Wesen soll Europa genesen

Leopold Kohrs Lob der „Kleinstaaterei“

Bereits vor siebzig Jahren hat Leopold Kohr die Voraussetzungen für eine positive politische Entwicklung Europas skizziert und er forderte das Ende der großen Nationen, denn durch die Überentwicklung der großen Nationen, muss zwangsläufig die Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat auf der Strecke bleiben.

Kommentar von
3.2.2023
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Leopold Kohrs Lob der „Kleinstaaterei“
Schweiz© flickr CC BY-NC-SA 2.0

Leopold Kohr, begnadeter Philosoph und Zukunftsdenker, publizierte vor über 70 Jahren, am 26. September 1941, in der linkskatholischen Zeitschrift Commonweal erstmals sein Prinzip „Klein sein oder nicht sein“, das später als „small is beautiful“ populär geworden ist. Die Lebensfähigkeit von überschaubaren Einheiten und Strukturen hat er nicht nur am Beispiel von Staaten, sondern auch von Unternehmen und anderen Organisationen plausibel dargestellt. Seine Analysen und Schlussfolgerungen sind, trotz mancher zeitbedingter Veränderungen, im Prinzip aktueller denn je.

Schweiz als funktionierendes Staatsmodell

Nach Kohrs Ansicht liegt das Wohl des Menschen nicht im permanenten wirtschaftlichen Wachstum, sondern in der Rückkehr zum „menschlichen Maß“. Er behauptete, dass hinter allen Formen des sozialen Elends eine einzige Ursache stünde: etwas (Staat, Wirtschaftseinheit, Betrieb, Institution) sei zu groß geworden. Um dies zu untermauern, wies er auf die Analogie der Saurier hin, die ebenfalls an ihrer Größe zugrunde gegangen seien. Jede Vereinigung zu einer größtmöglichen Einheit sei die Vorstufe zum Verfall, so Kohr weiter. Als Beispiel führte er bereits damals einen Vielvölkerstaat wie die UdSSR an – heute längst in kleinere Einheiten zerfallen.

Ein Staat sollte eine Bevölkerungsgröße von zwölf bis 15 Millionen Menschen nicht übersteigen, denn dann würde er seine reibungslose Funktionsfähigkeit verlieren. Der Kontakt der Staatsspitze zur Bevölkerung wäre nicht mehr optimal gewährleistet. Als Vorbild und ein über Jahrhunderte reibungslos funktionierendes Staatsmodell nennt Kohr die Schweiz. Die Existenz der Schweiz und das erfolgreiche Zusammenleben verschiedener Volksgruppen liegt nicht im Bündnis ihrer vier Nationalitäten (Deutsche, Franzosen, Italiener und Graubündner), sondern im Verband ihrer 26 Staaten, den Kantonen, was eine Aufteilung, nicht eine Fusion ihrer Volksgruppen darstellt und dadurch die unerlässliche Vorbedingung für jeden demokratischen Staatenbund bildet. „Die Größe der Schweizer Staatsidee liegt daher in der Kleinheit der Zellen, auf deren souveränen Unabhängigkeit die Garantie ihrer Existenz ruht. Politiker, die für eine Vereinigung der Nationen Europas eintreten, weil sie der Ansicht sind, dass es diese Art von Vereinigung ist, deren Durchführbarkeit die Schweiz unter Beweis gestellt hat, haben bei all ihrem Enthusiasmus nie das schweizerische Urprinzip der kantonalen Kleinstaatenselbständigkeit in Betracht gezogen.“

Die totale Tyrannei

Bereits vor siebzig Jahren hat Leopold Kohr die Voraussetzungen für eine positive politische Entwicklung Europas skizziert und er forderte das Ende der großen Nationen, denn durch die Überentwicklung der großen Nationen, muss zwangsläufig die Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat auf der Strecke bleiben. Sein Einsatz für eine Entwicklungshilfe zur Selbstständigkeit der Menschen und seine leidenschaftliche Forderung einer menschengerechten Stadt- und Verkehrsplanung wären gerade heute zeitgemäß. Der grenzenlosen materiellen Gier nach neuen Absatzmärkten und Profiten wurde jedes menschlich überschaubare Maß geopfert. Kohr verwirft entschieden den Einigungstraum der utopischen Unionisten im Fall des multinationalen Europas, wo es weder den Einheitstypus eines kontinentalen Menschen noch eine gemeinsame Sprache oder einen gemeinsamen kulturellen und historischen Hintergrund gibt.

Heute werden bereits die Kinder in den Einheitsschulen zu künstlichen-multikulturell-gleichprogrammierten Menschen erzogen. Ihnen wird „die Verherrlichung des Großen, des Massiven, des Fleißigen, des Universalen, des Kolossalen eingetrichtert“, während die Einheitspädagogen „einen Schleier darüber werfen, dass das gesellschaftliche wirklich Große, das Vollkommene, das Universalistische, im Kleinen liegt, dem Individuum, das das Protoplasma alles sozialen Lebens, ist.“ Und Kohrs Fazit ist wohl vom Feinsten: „Welteinigungspläne sind todernste Propositionen, humorlos und einem Menschentypen angepasst, den man sich als ein Kollektivwesen vorstellt und als Vieh niederer Gattung; und sie erinnern mich mit all ihren seriösen Ausführungen immer an den Professor für Statistik, der dem Satan vorschlägt, wie er die Hölle organisieren soll. Worauf ihm Satan mit felsenerschütterndem Gelächter zur Antwort gibt: „Die Hölle organisieren? Mein lieber Herr Professor! Organisation ist die Hölle.“ Wer also ruft: „Wollt ihr die totale EU?”, sollte bedenken wie das enden wird – im totalen Chaos, in der totalen Tyrannei.

Das Volk ist manipuliert

Der Geist der Tyrannei hat die „Eliten“, die Parteien der EU bereits so diktatorisch berauscht, dass sie auf das Volk vergessen. Wurden nicht alle Versprechen, die dem Volk beim EU-Beitritt versprochen wurden, gebrochen? Das Bankgeheimnis und den Schilling schaffte man ohne Zustimmung des Volkes ab – in der Schweiz ohne Referendum undenkbar. Aus einem einst souveränen österreichischen Nationalstaat wurde eine Brüsseler Kolonie, die Anordnungen der Amerikaner willfährig vollziehen muss. Jede Abweichung wird bestraft – so geschehen im Jahre 2000, als das Volk es wagte, eine patriotische Partei in die Regierung zu wählen. Es wurden globalistische Interessen verletzt und man kann behaupten, der Faschismus geistert wieder durch Europa, denn die Verbindung von staatlichen und Konzerninteressen nennt man Korporatismus und bereits Mussolini meinte dazu: „Faschismus sollte Korporatismus heißen, weil er die perfekte Verschmelzung der Macht von Regierung und Konzernen ist.”

Solange das Volk nicht direktdemokratisch, wie in der Schweiz, über wichtige Themen abstimmen kann, wird sich die Tyrannei ungehindert über alle Bereiche des Lebens der Staatsbürger ausbreiten. Das wird auch gar nicht verschwiegen, nur das Volk ist bereits so manipuliert, dass es die Tragweite der Aussage von Jean-Claude Juncker gar nicht in der vollen Tragweite begreift: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Die logische Konsequenz gegen diese Entwicklung wäre eine Verfassungsänderung nach Schweizer Vorbild, wie das auch 1955 vorgesehen war. Volksabstimmungen über diese Verfassungsänderung, den weiteren Weg Österreichs in der EU, die ungezügelte Migration, die Bargeldabschaffung und die Verhinderung der digitalen Überwachung des Bürgers müssten stattfinden. Die jüngsten Umfragen zeigen die starke, unerträgliche Diskrepanz des Volkswillens mit dem Regierungskurs auf: „Lediglich jede und jeder Vierte (24 Prozent) stimmt den EU-Maßnahmen samt militärischer und humanitärer Hilfe für die Ukraine sowie den Sanktionen gegen Russland voll und ganz zu.“

Demokratie ist eben keine Diktatur, sondern das Volk ist der einzig legitime Souverän. Friederich Schiller setzte unter sein Drama: „Die Räuber” die Botschaft „in tyrannos!” –  die Schweizer Verfassung verhindert die Tyrannei – möge Europa diesen einzig möglichen demokratischen Weg endlich beschreiten, bevor wieder einmal die Tyrannei siegt.


Zur Person:

Major Rudolf Moser, 1950 in Wien geboren, lebt seit 1975 in der Steiermark. Magisterstudium von Sozial-, Wirtschafts-, Politikwissenschaften und Psychologie; Promotion (Soziologie) an der Universität Wien zum Doktor der Philosophie; Major (Jagdkampf); Ingenieur (Drucktechnik); Verkaufsleiter, Kommunikationstrainer; Fallschirmspringer-, Segelflug- und Motorflugschein, 1. Dan Judo - Weltenbummler, Soziologe, Wanderer und Seefahrer.

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