Innsbruck: Verbot für kritische Demo am Samstag lässt Wogen hochgehen

Am Innsbrucker Landhausplatz – im Bild ist das Befreiungsdenkmal zu sehen – sollte die Versammlung stattfinden. Symbolbild: Elżbieta Fazel via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0]
Am Mittwoch ließ die Landespolizeidirektion Tirol eine für den Samstag geplante Großdemonstration am Landhausplatz untersagen. Für Kritik sorgen sowohl das Verbot an sich, aber auch die Begründung sowie die teilweise empfohlenen Sanktionen für jene, die trotzdem kommen wollen.
Innsbruck. – Nachdem bereits am Neujahrstag und am Dreikönigstag laut Polizei 800-900 Personen in der Tiroler Landeshauptstadt demonstrierten, rechnete man nach einigen kleineren Kundgebungen für die nächste große Veranstaltung am kommenden Samstag um 15 Uhr am Landhausplatz mit jedenfalls einer vierstelligen Teilnehmerzahl. Nun machten die Behörden diesem Plan zumindest offiziell einen Strich durch die Rechnung.
Drakonische Strafandrohungen
Und die angedrohten Sanktionen sind enorm: Je nachdem, nach welchem Gesetz die Exekutivbeamten strafen, könnten einzelnen Teilnehmern 720 oder sogar 1.450 Euro an Geldstrafe drohen. Der Krone zufolge will die Polizei zudem für den Fall, dass Eltern mit ihren Kindern zur untersagten Demo kommen, die Jugendwohlfahrt einschalten – wegen angeblicher Kindeswohlgefährdung.
Alleine diese Argumentation – der Infektionsschutz ist keiner der zwölf Überlegungen, die für die Beurteilung des Kindeswohls nach §138 ABGB heranzuziehen sind – lässt bei Kritikern sämtliche Alarmglocken schrillen. Ein Kommentator beim oberösterreichischen Wochenblick fürchtet, dass dies als Vorwand dienen könnte, um die Versammlung diesmal gewaltsam aufzulösen. Denn nach der großen Demo in Wien wurde dies mit dem Hinweis auf anwesende Familien verneint.
Abwerzger: „Pure Einschüchterung der Bevölkerung“
Auch der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger übte scharfe Kritik an diesem Passus: „Das ist ungeheuerlich, dass solche Schritte angedroht werden, das ist pure Einschüchterung der Bevölkerung.“ Verfassungsrechtlich sei das Verbot nicht tragbar, so der Jurist. Angesichts der jüngsten Zulassung einer Flüchtlingsdemo, die nach der Teilnahme des Schwarzen Blocks eskalierte bei gleichzeitigem Verbot der maßnahmenkritischen Demo offenbare die Anwendung von „zweierlei Maß“.
Apropos Flüchtlingsdemo: Diese von der linksextremen Antifa begleitete Kundgebung unter dem Motto „Grenzen töten“ ist wegen Nichteinhaltung der aktuellen Corona-Maßmahmen sogar eine Grundlage für das aktuelle Verbot. Weiters wird dort die große Menschenmasse bei zwei Demos in Innsbruck zu Jahresbeginn erwähnt – damals galten aber noch viel lockerere Maßnahmen bei Versammlungen. Der Anmelderin unterstellte man, als „Strohfrau“ zu agieren – obwohl sie bereits in ihrem Heimatbezirk Reutte mehrere regierungskritische Demos veranstaltete.
Sint: „Demokratie muss Kritik und Kritiker aushalten“
Vonseiten der Liste Fritz, die ebenfalls in Tirol in der Opposition sitzt, hagelt es ebenfalls Kritik am Verbot der Demo. Dieses sei ebenso falsch wie die Begründung dafür. Denn: „Eine Demonstration zu verbieten, weil Menschen mitmachen könnten, die sich möglicherweise nicht an die Regeln halten, ist überschießend“.
Eine derartige Mutmaßung allein rechtfertige „keinesfalls einen so schweren Eingriff in die Grundrechte der Bevölkerung“, so die Einschätzung von Fritz-Mandatar Markus Sint. Zudem dürfe das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht etwa von der Gesinnung der Entscheidungsträger abhängen: „Eine gefestigte Demokratie muss Kritik und Kritiker aushalten.“
Unzahl skurriler Argumente für Demoverbot
Neben den bereits erwähnten PBegründungen verwirren auch andere Punkte aus der Argumentation für das Verbot. So stößt sich etwa das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) daran, dass ausgerechnet zum Todestag von Andreas Hofer mit dessen Aufruf „Mander es isch Zeit“ mobilisiert werde. Daraus schließt der Inlandsgeheimdienst nämlich sogar, dass nicht nur gewaltfreier Protest geplant sei. Belegt wird diese nicht zuletzt aufgrund des ungeachtet aller Schikanen weitgehend friedlichen Ablaufs ähnlicher Demos. abenteuerliche Einschätzung nicht weiter.
Auch die Stellungnahme der örtlichen Gesundheitsbehörden wirft Fragen auf. Denn der Hinweis auf die epidemiologische Notwendigkeit entbehrt zahlentechnisch jeder Grundlage. Die 7-Tage-Inzidenz in Innsbruck-liegt bei unter 50 Fällen pro 100.000 Einwohner. Der angrenzende Bezirk Innsbruck-Land ist derzeit sogar jener Flächenbezirk, der bundesweit die niedrigste Inzidenz hat. In ganz Tirol befinden sich derzeit 67 Personen wegen einer Corona-Infektion im Spital, 22 davon auf der Intensivstation.
Dennoch argumentieren die Behörden, dass Krankenanstalten „täglich“ über Probleme mit der Gesundheitsversorgung klagen würden. Tatsächlich erklärte übrigens der Chef der Innsbrucker Intensivmedizin am selben Tag in der Tiroler Tageszeitung: „Wir sind gut unterwegs“, auch die neuen Mutationen würden sich an der Klinik noch nicht bemerkbar machen…