EU plant Alleingang ohne USA: Milliardenregen für die Ukraine
Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will der Ukraine 35 Milliarden Euro an Finanzhilfen zukommen lassen. Doch Ungarns Ministerpräsident Orbán blockiert die Pläne. Ein Alleingang der EU könnte die Lösung sein.
Brüssel/Straßburg. – Die Europäische Union will der Ukraine weitere Finanzhilfen in Höhe von bis zu 35 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Kiew an. Das Geld soll Teil eines von den G7-Staaten beschlossenen umfassenden Hilfspakets von bis zu 50 Milliarden US-Dollar sein, das durch Zinserträge aus eingefrorenen russischen Guthaben gedeckt werden soll.
Die geplanten Finanzhilfen stoßen vor allem in Ungarn auf Widerstand. Ministerpräsident Viktor Orbán blockiert weiterhin die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und verzögert Sanktionen und Hilfszahlungen. Um diesen Widerstand zu umgehen, plant von der Leyen, die Finanzhilfen über die EU-Kommission laufen zu lassen. Für diesen Schritt wäre lediglich die Zustimmung des Europäischen Parlaments und eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten erforderlich. Diese wäre erreicht, wenn 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen.
Von der Leyen betonte die Dringlichkeit der Hilfe: Die Ukraine brauche angesichts der anhaltenden russischen Aggression Unterstützung. Das Geld soll helfen, die wirtschaftlichen und militärischen Folgen des Krieges zu bewältigen und den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen.
160 Millionen Euro für Winterhilfe
Bereits im Vorfeld hatte die EU zugesagt, die Ukraine im bevorstehenden Winter mit weiteren 160 Millionen Euro zu unterstützen. Diese Summe soll in die Energieinfrastruktur des Landes fließen, die durch russische Angriffe stark beschädigt wurde. 60 Millionen Euro sind für Heizungen und die Ausstattung von Unterkünften für Vertriebene vorgesehen. Weitere 100 Millionen Euro sind für die Reparatur von Wärmekraftwerken und den Ausbau von Solaranlagen vorgesehen. Auch diese Hilfen sollen zum Teil aus Zinserträgen eingefrorener russischer Guthaben finanziert werden.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) wurden seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 rund zwei Drittel der ukrainischen Stromproduktion zerstört. Die Zerstörung der Energieinfrastruktur bleibt ein zentrales Problem, insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Winter.
G7-Hilfspaket als Finanzierungspuzzle
Das ursprüngliche Hilfspaket der G7 sah vor, der Ukraine insgesamt 50 Milliarden US-Dollar zu leihen. Die USA und die EU sollten jeweils 20 Milliarden US-Dollar beisteuern, die restlichen zehn Milliarden von Großbritannien, Japan und Kanada. Ein Teil der Rückzahlungen sollte aus den Erträgen russischer Guthaben erfolgen, die seit Kriegsbeginn in der EU eingefroren sind. Allein in der EU belaufen sich diese eingefrorenen Guthaben auf rund 260 Milliarden Euro, die größtenteils bei der belgischen Clearingstelle Euroclear liegen.
Die USA verlangten von der EU jedoch Garantien, dass diese Gelder dauerhaft eingefroren bleiben. Diese Forderung stieß innerhalb der EU auf Widerstand, hauptsächlich von Ungarn, das sich als russlandfreundliches Mitglied positioniert.
EU plant Alleingang bei Ukraine-Hilfen
Angesichts der Blockadehaltung Ungarns erwägt die EU nun einen Alleingang. Ein Gesetzentwurf sieht vor, der Ukraine bis Ende 2024 Kredite in Milliardenhöhe zu gewähren. Die genaue Summe steht noch nicht fest, könnte aber zwischen 20 und 40 Milliarden Euro liegen, je nachdem, ob die USA ihren Anteil übernehmen. Ein EU-Beamter äußerte sich gegenüber der Financial Times selbstbewusst: „Wir könnten jederzeit einen Alleingang wagen“. Ein solcher Schritt würde keine Einstimmigkeit unter den EU-Staaten erfordern und Ungarns Vetomöglichkeit umgehen.
Die Dringlichkeit ist hoch, denn laut Internationalem Währungsfonds (IWF) steht die Ukraine bis 2025 vor einer Finanzierungslücke von 38 Milliarden US-Dollar. Das Land ist auf externe Unterstützung angewiesen, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten und die russischen Angriffe auf seine Infrastruktur zu überstehen.
Zeitdruck für neues Hilfspaket
Die Zeit drängt, denn das bestehende Hilfspaket der EU läuft Ende 2024 aus. Um rechtzeitig neue Kredite bereitstellen zu können, müssen bis Oktober 2024 alle legislativen Hürden genommen werden. „Es ist dringend notwendig, die Vorschläge vor Ende Oktober zu verabschieden“, heißt es in einem EU-internen Papier.
Die AfD sieht das Vorhaben kritisch. Der AfD-Europaabgeordnete Alexander Sell kritisierte gegenüber FREILICH die geplanten Geldzahlungen: „Mit Waffenlieferungen und Milliardenzahlungen will Frau von der Leyen die EU immer weiter in einen Krieg mit Russland hineinziehen.“ Stattdessen sei eine „diplomatische Friedensinitiative“ nötig, um das „sinnlose Sterben“ von Ukrainern und Russen zu beenden. „Wir brauchen weniger Ursula von der Leyen, mehr Viktor Orbán“, so Sell abschließend.
Die Lage für die Ukraine bleibt angespannt, aber das geplante EU-Hilfspaket könnte eine wichtige finanzielle Unterstützung sein. Ob sich die USA letztlich daran beteiligen werden, bleibt vor dem Hintergrund der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen ungewiss.