Was war da eigentlich zwischen CDU, Werteunion und AfD in Wetzlar?

Der AfD-Politiker Frank-Christian Hansel hat Ende August an der 8. „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ von Klaus Kelle teilgenommen. In seinem Kommentar für FREILICH erklärt er, warum das Treffen in Wetzlar für ihn eine wohltuende Zäsur war.

27.9.2023
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7 Minuten Lesezeit
Was war da eigentlich zwischen CDU, Werteunion und AfD in Wetzlar?
Die CDU-Politiker Sylvia Pantel und Hans-Georg Maaßen, der Veranstalter Klaus Kelle, die parteilose Bundestagsabgeordnete Joana Cotar und der Berliner Landespolitiker Frank-Christian Hansel.© Die Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz

Das vom Publizisten Klaus Kelle bereits 2016 initiierte und jährlich an verschiedenen Orten in Deutschland organisierte Veranstaltungsformat „Die Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“, das jährlich mehrere Hundert Konservative und Freiheitliche jenseits der nach links verschobenen und wertebezogen entkernten Merkel-CDU versammelt, kenne ich aus eigener Anschauung seit der Berliner Tagung im August 2019. Dort hatte ich schon beim ersten Mal den etwas merkwürdigen Eindruck, auf einer Art AfD-Veranstaltung ohne AfD zu sein.

Es ging um dieselben Themen, wie wir sie als AfD im politischen Raum benennen und diskutieren. Die Argumente waren wie unsere, ebenso spürbar die Verbitterung darüber, dass die regierende politische Klasse und der Mainstream die ehrliche und offene Debatte strittiger Themen nicht mehr zuließen. Namen wie der YouTuber Peter Weber von „Hallo Meinung“, Dieter Stein (Junge Freiheit), Hubertus Knabe, oder die ehemalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder sowie Markus Krall gaben mir das Gefühl, gut, dass es auch außerhalb der AfD durchaus noch mehr Menschen gibt, die nicht nur fast das Gleiche denken wie wir, sondern quasi denken wie wir – nur, dass es eben nicht „AfD“-Denke sein sollte oder durfte. Matthias Matussek hielt eine launige Festrede beim sogenannten „Deutschland-Dinner“, mit der er auch durchaus bei uns gefeiert worden wäre. Interessant war, dass es unter den etwa 350 Teilenehmern kaum AfDler selbst gab, nur vereinzelt traf man auf den ein oder anderen.

Ein heimisches Gefühl

Das Phänomen, mich quasi wie auf einer AfD-Veranstaltung politisch heimisch zu fühlen, ohne dass die Teilnehmer selbst AfDler waren, wollte ich auch ein Jahr später auf dem 5. „Schwarm“ Anfang September 2020 in Erfurt wieder erleben und meldete mich entsprechend wieder an. Alles fand übrigens unter „Corona-Bedingungen“ statt, das machte das Treffen zu etwas Besonderem, denn man kam überhaupt mal wieder zu Vielen zusammen, was guttat. Dieses Mal waren wir etwas mehr Teilnehmer aus der AfD als ein Jahr zuvor in Berlin, aber hinsichtlich der Teilnehmerzahl insgesamt zu vernachlässigen. Dabei fiel noch auf, dass auch ein paar ehemalige AfDler, die in ihren Abspaltungen unglücklich scheiterten, auch vor Ort waren.

Hermann Binkert klärte als Chef des Meinungsforschungsinstituts INSA über die demoskopische Lage und die rechnerischen Möglichkeiten jenseits der Groko auf, es gab ein Referat von Manuel Ostermann, dem stv. Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft zur Kriminalitätslage, Hedwig von Beverfoerde und Martin Lohmann sprachen zu ihrem klassischen Thema Lebensrecht. David Engels, Markus Krall und Vera Lengsfeld hielten ihre Beiträge und am Schluss stand Hans-Georg Maaßen Rede und Antwort, der über die politische Situation 2020 so sprach, wie wir als AfD, teilweise sogar in für mich überraschend deutlich scharfer Diktion. Nicht nur mein Eindruck war, da war latent irgendwie ein weißer Elefant im Raum, über den aber nicht expressis verbis gesprochen wurde, als es um die Frage ging, wie können wir, also die, ich nenne mal alle Anwesenden jetzt „bürgerliche Dissidenten“, was tun, um die Verhältnisse zu ändern?!

Um diese Kernfrage wurde auch Anfang Oktober 2021 in Essen erneut gerungen. Die aktuellen Analysen zur politische Situation des Landes nach Merkel von Arnold Vaatz aus der CDU-Sachsen, Gerhard Schindler, ehem. Chef des Bundesnachrichtendienstes, David Engels, Gerhard Papke, Thilo Sarrazin und Josef Kraus, Buchautor und ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes waren alle gleichermaßen so schonungslos, als würden sie auf einem AfD-Parteitag vorgetragen, nur ohne von AfDlern selbst artikuliert worden zu sein. Mein Fazit war: Die sehen alle die Lage so wie wir als AfD, aber kommen nicht auf den naheliegenden Gedanken, die AfD könne Teil der Lösung sein und eben nicht des Problems, Grund genug, genau dies auch einmal offen am Ende anzusprechen.

Von Berlin nach Wetzlar

In Erlangen ging es dann Ende Oktober 2022 weiter, mit Highlights von Julian Reichelt, der mit (überflüssiger) AfD-Distanzeritis eigentlich AfD-Positionen teilt, wieder mit einem klaren Hans-Georg Maaßen und einem souveränen Festredner zum „Deutschland-Dinner“, dem alten Haudegen Rupert Scholz mit 85 Jahren und einem deutlichen Plädoyer für den notwendigen Neuaufbau Deutschlands. Doch erneut blieb auch hier am Ende offen, wie und mit wem denn ein solcher Neuaufbau politisch gestaltet werden könne. Es machte sich, so meine Erinnerung, allgemein der ermüdende Eindruck breit, na ja, ist ja ganz schön, wenn man sich jährlich einmal trifft und auskotzt über die Verhältnisse, aber was bringt's?

Insofern war die diesjährige 8. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz vom 25. bis 27. August in Wetzlar eine wohltuende Zäsur. Das fatale Wirken der Ampel mit Atomausstieg, Klimarettungswahn und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit vernichtende Energieverknappungspolitik hat den Druck auf die „bürgerlichen Dissidenten“ so erhöht, dass das Beklagen der Zustände allein nicht mehr zur Motivation ausgereicht hätte, zu mehreren Hunderten zusammenzukommen, um sich dann wieder wie in den Vorjahren mit mehr Fragen als Antworten in Sachen politischer Veränderungsgestaltungsmacht zu verabschieden. Es gab kein Erkenntnisproblem mehr, sondern es ging um das Umsetzungsproblem.

Eine offene Lücke

Es war die Zeit, den bisherigen Elefanten in Raum, die AfD, mit in die Debatte zu nehmen, nicht nur als Zaungast, sondern auch „auf der Bühne“. Die Tagung begann mit einer Podiumsdiskussion, die sich um die Frage drehte, wie politische Veränderung politisch möglich werden könnte und stand unter dem Motto, wie sich die Repräsentationslücke zwischen Union und AfD schließen ließe. Für einige Teilnehmer, vertreten durch Ex-AfD Joana Cotar, lag die Frage einer neuen Partei, oder einer Partei neuen Typs in der Luft, die die Schwächen des derzeitigen Parteiensystems überwinden könnte, Hans-Georg Maaßen verwies auf die „Werteunion“ und die – merkbar bei ihm sterbende – Hoffnung, dass die Werteunion die CDU noch auf die richtige Schiene setzen könnte, und wenn nicht, schon irgendjemand die Repräsentationslücke füllen würde.

Merz jedenfalls habe da, das war hörbarer Konsens im Saal, jedenfalls versagt. Hinsichtlich der Frage der Zusammenarbeit sei es Maaßen im Übrigen egal, wer mit ihm seine programmatischen Positionen teile, Hauptsache, sie würden umgesetzt. Dass seine Positionen eigentlich ja unsere von der AfD seien, er eigentlich AfD-Text rede, war eine meiner Interventionen. Maaßens Einsicht um die fatale Situation, in der sich Deutschland befindet und die Brutalität, mit der die ökosozialistische Agenda auch mittels politischen Foulspiels der Regierenden gegen die verfolgte Opposition durchgedrückt werde, ließ die erleichternde Erkenntnis im Saal spüren, dass es ohne einen irgendwie gearteten Schulterschluss aller bürgerlicher Dissidenten gegen den Linksblock nicht gehe werde, wobei das natürlich ein MIT der AfD beinhalte. In Pausengesprächen ergab sich übrigens, dass es durchaus das ein oder andere Mitglied der Wertunion gibt, das nicht in der CDU, sondern vielmehr in der AfD sei.

Die Opposition rückt zusammen

Meine Position zu den denkbaren Möglichkeiten neuer politischer Kräfte war klar: Wenn man schon Leuchttürme im Sinne honoriger Leute hohen Kalibers bitten müsste, doch nun endlich politisch aktiv zu werden, so habe man schon verloren; denn stoßen diese dann auf die ersten medialen Widerstände und die allgemeine öffentliche Ächtung und Diffamierung, würden sie nicht standhalten. Bisher waren jedenfalls alle Versuche erfolglos. Auch „Bündnis Deutschland“ werde in Bremen nicht in die Gremien gewählt und als rechtsaußen verschrien.

Daher ist die AfD, die diesem massiven Diffamierungsdruck zehn Jahre lang konsequent gegen alle Belastungen standgehalten hat, alternativlos für den von allen gewünschten Veränderungsprozess, ob sie die AfD jetzt in allen Punkten gut finden sollten oder nicht. Die AfD wird als Kern Bestandteil einer Art „Allianz für Deutschland“ sein müssen, in der alle Veränderungswilligen zusammenarbeiten müssen. Ohne sie geht es nicht. Am Ende der Tagung hatte ich den Eindruck, dass das irgendwie verstanden worden ist, wenn auch vielleicht noch nicht von Jedem.


Zur Person:

Frank-Christian Hansel, Jahrgang 1964, ist seit 2016 für die AfD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Dort ist er unter anderem im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung aktiv. Der gebürtige Hesse studierte Politische Wissenschaften, Philosophie und Lateinamerikanistik.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.