Rezension – Martin Sellner: Regime Change von rechts. Eine strategische Skizze

Im vergangenen Sommer hat der Aktivist Martin Sellner mit seinem Buch Regime Change von rechts ein Werk vorgelegt, in dem er verschiedene Strategien vorstellt und erläutert. Ein lesenswerter Versuch, wie Simon Dettmann in seiner ausführlichen Rezension für FREILICH darlegt.

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25.2.2024
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Rezension – Martin Sellner: Regime Change von rechts. Eine strategische Skizze
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Regime Change von rechts, die bisher umfangreichste Publikation des österreichischen Politaktivisten Martin Sellner, seines Zeichens Gesicht und Vordenker der Identitären im deutschsprachigen Raum, ist ein großer Wurf. Vor allem deshalb, weil das Buch dem selbstgesetzten Anspruch, die im neurechten Milieu geführten Debatten über Strategie und Taktik zu ordnen, zu systematisieren und auf ein höheres theoretisches Niveau zu heben, auch tatsächlich gerecht wird. Sellners Buch ist der Versuch, das gesamte neurechte Milieu, das er mit dem rechten Lager gleichsetzt, auf eine Strategie zur Erreichung des gemeinsamen Hauptziels, nämlich die Sicherung der Fortexistenz des deutschen Volkes, einzuschwören. Dabei weiß der Autor mit seinem an Gramsci, Althusser und Gene Sharp geschulten Denken und seinem oftmals geradezu soziologischen und psychologischen Blick auf politische Prozesse viele gute Argumente auf seiner Seite. Doch sein beständiges, zum Monomanischen hin tendierendes Kreisen um das Problem der Demografie könnte sich langfristig noch negativ auf die intellektuelle wie die politische Rechte auswirken.

Tiflis, 7. März 2023. Die zweite Nacht in Folge harren Tausende Menschen auf dem großen Platz in der Nähe des georgischen Parlaments aus. Doch anders als gestern schaut die Staatsmacht nicht mehr bloß apathisch zu. Die Polizei setzt diesmal Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein. Schnell löst sich die Menge auf und es kommt zu Szenen, die von Journalisten gemeinhin als „tumultartig“ bezeichnet werden. Während fast alle Demonstranten ausweichen oder sich in die Seitenstraßen flüchten, läuft eine Frau mittleren Alters in die entgegengesetzte Richtung – geradewegs auf die Wasserwerfer zu. In den Händen hält sie eine riesige EU-Flagge, die sie wie wild hin und her schwenkt. Sofort beginnen die Wasserwerfer, auf sie zu zielen, doch das scheint sie kaum zu beeindrucken.

Demonstranten eilen zu ihr und versuchen, sie von den Wasserstrahlen abzuschirmen. Durchnässt und umringt von Menschen steht sie mitten auf einem der größten Plätze der Hauptstadt und hält die tiefblaue Fahne mit den gelben Sternen in den Nachthimmel. So ergibt sich für Sekunden eine Szenerie von großer bildpolitischer Macht und symbolischer Kraft. Es entsteht ein Bild, dessen Grundelemente feste Bestandteile einer Ikonografie der Revolution und Teil des kollektiven Gedächtnisses der Europäer sind – wie jeder bestätigen wird, der schon einmal Delacroixs „Die Freiheit führt das Volk“ oder eine Darstellung der Barrikadenkämpfe während der Märzrevolution von 1848 gesehen hat. Die EU-Flagge wiederum verweist auf die konkrete Form des sozialen Umbruchs, der den Demonstranten vorschwebt: eine Farbrevolution.

Bunte Revolutionen mit fremdem Geld

Anlass der Massendemonstrationen ist das Vorhaben der georgischen Regierung, ein Gesetz zu beschließen, nach dem sich zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanzierte NGOs und Medienunternehmen selbst als „ausländische Agenten“ kennzeichnen müssten.

Ein solches Gesetz würde die Strategie der, nun ja, ausländischen Agenten, Medienkonzerne und Think-Tanks des Westens, die öffentliche Meinung in Georgien zu beeinflussen und das Land so ins Prowestlich-liberale umzudrehen, durchkreuzen und damit auch die Integration Georgiens in den westlichen Machtblock zumindest mittelfristig behindern. Allein, es wird nichts draus. Bereits zwei Tage später, am 9. März, wird der Druck zu groß und die Regierung muss das missliebige Gesetz einstampfen.

Zwar hat die scheinbar aus dem Nichts entstandene Protestbewegung ihr eigentliches Hauptziel, die eine multivektorielle Außenpolitik verfolgende Regierungspartei „Georgischer Traum“ zum Rücktritt zu zwingen und bei Neuwahlen durch ein Bündnis extrem prowestlicher Parteien zu ersetzen, nicht erreicht, ihr öffentlich verkündetes und stark mobilisierendes Zwischenziel dafür aber schon nach ein paar Tagen.

So viel zur konkreten Praxis von Regime Change und Farbrevolution.

Ein Buch zur richtigen Zeit

Doch wäre es nicht möglich, die Strategien, Taktiken, Organisations- und Protestformen einer Farbrevolution zu übernehmen und in Deutschland, Österreich oder der Schweiz umzusetzen? Anders gefragt: Könnte eine rechte Farb- und Kulturrevolution, also ein Ende der diskursiven Hegemonie linksliberaler Vorstellungen und ihre Ersetzung durch konservative und nationalistische, verbunden mit einem Regierungswechsel, im deutschsprachigen Raum Erfolg haben? Auch wenn er lieber von Social Change und Regime Change schreibt: Martin Sellner ist, das lässt sich nach der Lektüre seines Buches sicher sagen, davon zutiefst überzeugt. Deshalb handelt Regime Change von rechts auch von der Möglichkeit einer Farbrevolution, den verschlungenen Wegen, die zu ihr führen, ihren sozialen Vorbedingungen, ihrer Theorie und der Theorie ihrer Praxis. Es ist ein überraschend optimistisches Buch geworden, das nicht demoralisieren, sondern zum Handeln motivieren will, den Leser jedoch unablässig dazu auffordert, das eigene Handeln strategisch und auch moralisch zu reflektieren.

Vor allem aber ist es ein notwendiges Buch, weil es im rechten Lager noch immer weit verbreitete theoretische Fehlannahmen korrigiert, auf strategische Sackgassen hinweist und Mythen entzaubert. Beispielsweise erklärt Sellner überzeugend, warum viel (rechter Aktivismus) eben nicht immer viel hilft, warum der Glaube, den Gegner allein durch rationale Argumentation von der eigenen Weltanschauung zu überzeugen und so eine, wie er es nennt, geistige Wende einzuleiten, politisch naiv ist und von falschen anthropologischen Grundannahmen ausgeht oder warum umgekehrt der alleinige Fokus auf ästhetische Werte und Fragen des persönlichen Lebensstils in eine politische Sackgasse führt. In Zeiten, da neurechte Milieus allzu oft vom Hin- und Herpendeln idealistischer junger Menschen zwischen dem aktionistischen Drang, jetzt sofort irgendetwas zu tun auf der einen Seite, sowie schwermütigem Defätismus auf der anderen - also memetisch gesprochen dem Dualismus von „It's over!“ und „We're so back!“ -, geprägt sind, ist es leider (pädagogisch) notwendig, an derlei Selbstverständlichkeiten zu erinnern.

Ja, Regime Change von rechts pädagogisiert und moralisiert, ist, wie bereits kritisch betont wurde, in Schreibstil und Aufbau häufig redundant und didaktisch. Jedoch liegt das eben daran, dass sich das Werk vorrangig nach innen, sprich an Bewegung und Parteien, richtet. So verweisen die genannten Eigenschaften nicht auf Defizite Sellners, sondern indirekt auf (intellektuelle) Defizite bei vielen Akteuren des rechten Lagers.Sellners, sondern indirekt auf (intellektuelle) Defizite bei vielen Akteuren des rechten Lagers.

Das Volk steht im Fokus

Den theoretischen Kern des Buches bilden die Setzung des rechten Hauptziels, eine Analyse des politischen bzw. gesellschaftlichen Systems, in dem die Rechte notgedrungen operieren muss und die Bewertung verschiedener konkurrierender Strategien zur Erreichung des Hauptziels, wobei der Fokus eindeutig auf der Analyse von Strategien liegt. Die Definition dieses Hauptziels wird auf ein paar Seiten abgehandelt. Zu Recht. Besteht in dieser Frage lagerintern doch erfreulicherweise kaum Uneinigkeit. Für Sellner besteht das Hauptziel der Rechten im Erhalt der ethnokulturellen Identität – eine Formulierung, die wohl bedenkenlos mit der Sicherung der Fortexistenz des deutschen Volkes identifiziert werden kann. Aufwendige Herleitungen und Rechtfertigungen sind hier vollkommen unnötig; ist das Interesse an der eigenen (kollektiven) Fortexistenz doch ein natürliches, das selbstevident und jedem unmittelbar einsichtig ist.

Und nebenbei bemerkt ist diese Tatsache auch hauptursächlich für die Leugnung der Existenz des deutschen Volkes durch die herrschende Klasse. Denn deren entscheidende Akteure sind sich sicherlich darüber im Klaren, dass sie sich durch das Eingeständnis dieser Tatsache auf einen „rutschigen Abhang“ begäben, an dessen unterem Ende ihr Machtverlust stünde. Die Preisgabe auch nur des kleinsten Geländes im Kampf um eine allgemeingültige Interpretation des Volksbegriffs ist der herrschenden Klasse also schlechthin unmöglich. Sie zöge sich damit in eine Stellung zurück, die sie im Vorfeld bereits als langfristig unhaltbar erkannt hat. Indem Sellner den Volksbegriff hinter den des Eigenen und der Identität zurücktreten lässt, verschenkt er das diesem innewohnenden subversive Potenzial jedoch leichtfertig.

Nachdem Klarheit über das eigentliche Ziel, den Selbsterhalt bzw. die Akkumulation politischer Macht, um diesen sicherzustellen, geschaffen wurde, geht der Autor dazu über, das Verhältnis einiger Begriffe zueinander zu erläutern. Wie verhält sich das Hauptziel zu den Zwischenzielen? Was ist der Unterschied zwischen Strategie und Taktik? Begriffsanalytische Passagen dieser Art, die sich im Buch mehrfach finden, mag manch ein Leser dröge und technisch finden, sie sind aber eminent wichtig – und Sellner referiert sie mit der nüchternen Präzision eines Generals, der seinen Schlachtplan vorstellt.

Mit Gramsci und Althusser gegen die Elite

Schon deutlich umfangreicher ist dagegen der systemanalytische Teil. Hier steht Sellner vor der Herausforderung, ein realistisches, gleichzeitig aber auch noch verständliches und nicht hyperkomplexes Bild der gesellschaftlichen bzw. politischen Ordnung zu zeichnen, in dem die Rechte agieren muss. Keine leichte Aufgabe im bundesdeutschen oder österreichischen Kontext, ist doch die gezielte, systematische Täuschung der Bürger über die tatsächliche Funktionsweise, die eigentliche innere Dynamik des Staates in den genannten Nationen keineswegs bloß ein Nebenprodukt der herrschenden Ordnung, sondern ihre Existenzgrundlage, und richten sich doch gerade hier allzu viele Bürger in ihren illusionären Vorstellungen vom Staat, in dem sie leben, gemütlich ein.

Doch hier ist Sellner erkennbar in seinem Element und nutzt diesen Teil, um in zwei Theorien einzuführen, die ihn und die Neue Rechte insgesamt stark geprägt haben: Antonio Gramscis Hegemonietheorie der Macht und Louis Althussers Ideologische Staatsapparate. Mit diesen Theorien versucht er, die Aufmerksamkeit des Lesers auf die eigentliche Machtbasis der herrschenden Klassen in den westlichen Staaten zu lenken, nämlich die öffentliche Meinung bzw. die Macht, sie zu erzeugen, zu kontrollieren und zu steuern. Dabei will er es den des Rechtsgramscismus Unkundigen möglichst leicht machen und bettet die Theorie in ein Netz von Metaphern und Schlagwörtern ein, die teils sogar von ihm selbst stammen. Da ist zunächst die Metapher der Meinungsklimaanlage zu nennen, mit der er die komplexe Produktion der öffentlichen Meinung visualisieren will und die auch restlos zu überzeugen weiß. Den tatsächlichen und potenziellen Wandel der öffentlichen Meinung und die Metapher des Meinungskorridors veranschaulicht er mit dem bereits sehr populären Modell des Overton-Fensters.

Das ist alles sehr verdienstvoll und erfüllt seinen aufklärerischen Zweck, jedoch stehen dem gegenüber zwei Schlagwörter, die leider weniger überzeugen: die Demokratiesimulation und der sanfte Totalitarismus.

Gretchenfrage Demokratie

Das Problem am Begriff der Demokratiesimulation ist, dass diese zwei Grundaussagen impliziert, die beide unbezweifelbar wahr sind, aber dennoch in die Irre führen. Das ist zum einen die Tatsache, dass die Herrschenden zumindest öffentlich den Anspruch erheben, ihre Herrschaft sei demokratisch, zum anderen die Tatsache, dass sie es in Wirklichkeit nicht ist. Bloß simuliert sei die Demokratie, so schreibt Sellner, weil die öffentliche Meinung nicht das Produkt eines freien Spiels der Kräfte sei, sondern des systemischen Filters, den er Meinungsklimaanlage nennt. Doch wenn eine Demokratie nur dann besteht, wenn sie ein freies Spiel der Kräfte zulässt, so hat es noch nie eine gegeben. Sellner nährt hier liberale Illusionen und scheint kurz davor, Habermas'sche Phrasen wie den „herrschaftsfreien Diskurs“ und den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ aus der Mottenkiste zu holen. Außerdem irreführend ist der prozedurale Demokratiebegriff, der Sellners Rede von der Demokratiesimulation stets implizit zugrunde liegt. Er scheint wirklich an die Möglichkeit der „echten“ Demokratie im Sinne einer Volksherrschaft zu glauben. Darin unterscheidet er sich zum Beispiel von seinen linksliberalen Kontrahenten, ergo der herrschenden Klasse, in der schon längst ein substanzieller Demokratiebegriff vertreten wird, manchmal sogar halb offiziös.

Heißt konkret: Für Linksliberale ist Demokratie zum Codewort für Linksliberalismus geworden. Solange Rechtsintellektuelle darauf reagieren, indem sie die rousseauistische Fata Morgana von der wahren, vollkommenen Volksherrschaft in den Diskurs einbringen, anstatt ihrerseits einen substanziellen Demokratiebegriff zu erarbeiten, leisten sie einen Beitrag dazu, die Rechte aus dem Spiel zu nehmen. Tatsächlich ist ein Volk als Gesamtheit aufgrund seines geringen Organisationsgrades, der oft nur oberflächlichen Politisierung und Bildung der Einzelnen und vor allem seiner schieren Größe gar nicht dazu in der Lage, in irgendeinem Sinne des Wortes Herrschaft auszuüben. Diese kann, wie ein Blick auf die Menschheitsgeschichte bestätigt, ausschließlich von gut organisierten kleinen Teilgruppen des Volkes kollektiv ausgeübt werden, in denen ein relativ hohes Maß an ideologischer Homogenität und sozialer Konformität besteht und in der Herrschaftswissen systematisch akkumuliert wird. Diese Teilgruppen sind die Eliten bzw. die herrschenden Klassen. Sie beherrschen den übrigen Teil des Volkes, der ihnen als „die Masse“ entgegentritt. Und so wird es wohl auch ewig bleiben. Deshalb ähnelt der Kampf für die wahre Demokratie im Sinne der Volksherrschaft der Suche nach dem schwarzen Schimmel.

Mut zur politischen Konsequenz

Sellners Ausführungen hätten hier stärkere Bezugnahmen auf die Klassiker der Elitesoziologie wie Vilfredo Pareto und Gaetano Mosca gutgetan. So läuft er Gefahr, einer populistischen Illusion zu erliegen (detailliert beschrieben vom britischen Philosophen Neema Parvini in seinem Buch The Populist Delusion).

Ähnlich verhält es sich mit der Wendung vom „sanften Totalitarismus“. Sellner nutzt sie, um auf die Repression des Staatsapparats gegen alles Rechte hinzuweisen und diese zu verurteilen. Das ist aller Ehren wert, aber muss er sich dazu eines durch und durch liberalen Begriffs bedienen, der ersonnen wurde, um Liberale moralisch gegen ihre Kritiker von links und rechts zu immunisieren und diesen Zweck auch heute noch gut erfüllt? Ist es wirklich eine gute Idee, geistig durch liberalisierte Zeitgenossen in ihrer boomeresken Tendenz, Autorität und Ordnung abzulehnen und als generell totalitär, faschistisch und unrechtmäßig zu verdammen, zu bestätigen und deren Vokabular in die Neue Rechte hineinzutragen? Totalitarismus wird zumeist als das Bestreben verstanden, eine Staatsideologie in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu tragen und die Individuen so im Sinne dieser Staatsideologie umzuformen. Natürlich ist die Beobachtung, dass auch liberale Systeme totalitär sein können, ein Erkenntnisfortschritt gegenüber der liberalen Position, Totalitarismus sei nur in nicht liberalen Systemen, also vermeintlich rechts- und linksradikalen, möglich (Ryszard Legutko hat über diese Beobachtung das lesenswerte Buch Der Dämon der Demokratie geschrieben!).

Aber warum im Erkenntnisprozess auf halbem Wege stehen bleiben? Denn welchen Wert hat der Begriff des Totalitarismus noch, wenn jedes System, unabhängig von seiner ideologischen Ausrichtung, in bestimmten Situationen dazu tendiert, totalitär zu agieren? Langfristig wird die Rechte nicht umhinkommen, anzuerkennen, dass sich uns in den als totalitär bezeichneten Phänomenen das Wesen des Politischen lediglich in besonders reiner Form offenbart. Dass, wenn eine staatliche Ordnung vermeintlich ins Totalitäre abdriftet, bloß eine höhere Intensität der Feindschaft zwischen zwei gesellschaftlichen Gruppen erreicht ist. Deshalb sind die Repressalien des Staates gegen die politischen Rechte auch nicht der Schritt vom sanften zum offenen Totalitarismus, sondern Politisierung. Und der Wille, alle gesellschaftlichen Räume politisch zu durchdringen, den Olaf Scholz in einem seiner seltenen ehrlichen Momente einmal mit dem Satz „Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern“ auf den Punkt brachte, ist nun mal ein Teil der Eigenlogik des Politischen und jeder politischen Bewegung, die Macht erlangen und auch erhalten will. Die totale ideologische Lufthoheit des Linksliberalismus über alle relevanten Institutionen von den Kindertagesstätten bis zu den Altenheimen ist in der Bundesrepublik Realität – und gerade um diese Realität beschreiben zu können, hat Althusser die Theorie der Ideologischen Staatsapparate entwickelt. Diese wird von Sellner auch kurz erwähnt, aber dann nicht konsequent angewendet.

Wer gehört zur politischen Rechten?

Doch bevor er sich den verschiedenen Strategien zuwendet, versucht er in einem sehr kurzen Kapitel die Frage zu klären, wer und was eigentlich Teil des rechten Lagers sei. Seine Antwort: ausschließlich die Neue Rechte und kein anderes Milieu. Nicht die Alte Rechte und auch keine Liberalkonservativen. Selbst die Nationalkonservativen will er nicht ins rechte Lager eingemeinden. Das verwundert, ist Nationalkonservatismus doch wohl die präzisest mögliche Kurzbeschreibung dessen, was Sellner selbst und ein großer Teil der Neuen Rechten politisch vertritt. Natürlich ist es legitim, alle Nicht-Neurechten aus dem eigenen Lager hinauszudefinieren, doch damit wird das neurechte Milieu lediglich in „rechtes Lager“ umbenannt. Die wenigen Altrechten und vor allem die vielen Liberalkonservativen verschwinden dadurch aber nicht, im Gegenteil. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Milieus wird nicht einfacher dadurch, dass man diese ignoriert, sondern viel schwieriger. Nicht die Selbstbeschreibung eines Menschen als rechts, konservativ, nationalistisch etc. prägt für gewöhnlich dessen soziale Realität, sondern eine Fremdzuschreibung seitens Liberaler und Linker. Und für die umfasst das rechte Lager nun einmal alles, von Jan Fleischhauer bis zur Atomwaffen-Division. Darüber könnte die Neue Rechte herzlich lachen, hätten die linksliberalen Fremdzuschreibungen nicht eine ungeheure Macht. In gewisser Weise erschaffen sie eine Realität, der sich die Neue Rechte nur schwer wird entziehen können. Die selbst im Vergleich zur politischen Linken enorme Heterogenität des rechten Lagers ist der Bestand, doch Sellner zieht es vor, von einem politischen Idealzustand auszugehen, in dem es bloß Neurechte gibt.

Das Herzstück des Buches ist aber eindeutig der strategieanalytische Teil. Hier stellt er vier Leitstrategien zur Erreichung des rechten Hauptziels und ganze neun von ihm sogenannte Nonstrategien vor. Die vier Leitstrategien sind die Reconquista, die Militanz, der Parlamentspatriotismus und die Strategie der Sammlung. Zwei davon verwirft er rundheraus: den Parlamentspatriotismus und die Militanz. Mit Recht, deshalb soll an dieser Stelle nicht weiter auf diese Holzwege eingegangen werden. Die Strategie der Sammlung, also die Konzentration aller noch vorhandenen Kräfte und Ressourcen in einer Region, ist für ihn eine Notlösung im Falle des Scheiterns der von ihm bevorzugten Strategie: der Reconquista. Die Analyse der Nonstrategien nimmt breiten Raum ein und gerade hier schreibt Sellner häufig mit didaktischem bzw. pädagogischem Tonfall. Manch ein Leser wird sich davon gelangweilt fühlen, doch in Anbetracht der Tatsache, dass Sellner sich teils explizit an zur Militanz neigende Jugendliche und junge Erwachsene wendet und versucht, diese von ihrem zerstörerischen Tun abzubringen, ist es leider notwendig.

Verschiedene Strategien als Anleitung...

In diesem Zusammenhang scheinen vor allem zwei der Nonstrategien von Interesse zu sein, nämlich der Akzelerationismus und das sogenannte Babo-Denken. Während der Akzelerationismus, obgleich ursprünglich eine Denkfigur des neoreaktionären Philosophen Nick Land, in obskuren Online-Biotopen zu einem brutale Gewalt legitimierenden Stichwort verkam und daraufhin bald in der Bedeutungslosigkeit versank, erleben Varianten des „Babo-Denkens“ heute eine neue Blütezeit. Der Babo ist der Boss; ein charismatischer Alphamann, der um sich herum einen immer häufiger rein virtuell existierenden Männerbund aufbaut. Seinen Anhängern predigt er einen Machokult, fast immer verbunden mit Selbstoptimierung und der totalen Abwendung von praktischer Politik. Fast immer sind diese Babo-Szenen von den finanziellen Interessen des jeweiligen Alphamanns geprägt. Waren sie lange marginalisierte Randphänomene, schaffen sie seit ca. zehn Jahren häufiger den Sprung von der Subkultur in die gesellschaftliche Mitte.

Dabei wird jeder Geschmack bedient: Zu Verschwörungstheorien neigende migrantische Jugendliche finden ebenso ein Angebot (Kollegah) wie ausschließlich auf Geld und Status fixierte (Andrew Tate), Tribalismus-Nostalgiker (Jack Donovan) und junge Männer, die sich nach einer pseudointellektuellen Unterfütterung für ihre Rollenspiele sehnen (Costin Alamariu bzw. „Bronze Age Pervert“). Dass diese materialistische, zu einem weltfremden Amoralismus hin tendierende „Lifestyle-Rechte“ es nicht verdient, in einem irgendwie substanziellen Sinn rechts genannt zu werden und dass sie in eine strategische Sackgasse führt, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Doch gerade die Abwahl Trumps im November 2020 und die für seine Anhänger damit verbundenen Enttäuschungen schufen einen Nährboden, auf dem nicht nur ein schizophrener Krisenkult (QAnon), sondern eben auch die angesprochene „Lifestyle-Rechte“ gedeihen konnte. Die Welle ist längst in den deutschsprachigen Raum herübergeschwappt. Sellner kritisiert diese Tendenzen, aber er hätte Namen nennen und fester draufhauen sollen; handelt es sich beim Babo-Denken doch um die derzeit relevanteste der Nonstrategien.

... aber nur eine Leitstrategie?

Der von ihm bevorzugten Leitstrategie, der Reconquista, widmet der Autor sich besonders ausführlich. Unter der Reconquista versteht er eine theoretisch an Gramsci, Althusser und, auch wenn der Name nicht fällt, Foucault anknüpfende Strategie zur Erringung kultureller bzw. diskursiver Macht, die im praktischen Teil einen großen Wert auf die Protestformen der Nonviolent Action im Sinne Gene Sharps legt. Statt von der kulturellen Hegemonie oder dem hegemonialen Diskurs schreibt Sellner aber lieber vom „Social Change“. Der titelgebende „Regime Change“ werde erst dann nötig, wenn der Staat offen totalitär wird. Scheitert auch ein „Regime Change“, so müsse die Rechte zur Strategie der Sammlung übergehen. Das sind die Grundzüge der Sellnerschen Reconquista. Um es kurzzufassen: Diese Strategie ist in ihrem Kern inhaltlich unangreifbar und gilt in rechtsintellektuellen Kreisen vollkommen zu Recht als „State of the Art“. Was dagegen Kritik erfordert, sind die inhaltlichen Aufgaben, die den einzelnen Teilen des rechten Lagers im Rahmen der Reconquista zugewiesen werden. Sellner teilt das (neu-)rechte Lager in 5 verschiedene Teilbereiche ein: die Partei, die Gegenöffentlichkeit (rechte Medien/Influencer), die Theoriebildung (Intellektuelle), die Gegenkultur und die (aktivistische) Bewegung. Lagerintern besteht eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung.

Außerdem kommt der Bewegung unter den Teilgruppen ein Primat zu. Da für ihn der Erhalt des Volkes das rechte Hauptziel darstellt, ist im Umkehrschluss das Hauptproblem das der Demografie, also der Große Austausch/Bevölkerungsaustausch. So weit, so unkontrovers. Doch Sellner fordert zusätzlich, dass JEDE Aktivität in JEDER Teilgruppe des rechten Lagers jederzeit direkt oder indirekt das Problem des Großen Austauschs bzw. die, wie er schreibt, Wende in der Bevölkerungs- und Identitätspolitik, thematisiert. Was genau er unter Bevölkerungs- und Identitätspolitik versteht, bleibt unklar. Es steht aber zu vermuten, dass es ihm um all jene Ideologeme und Narrative geht, die kollektiv verinnerlicht zu Ermöglichungsbedingungen der demografischen Katastrophe geworden sind und dieser geistig den Weg bereitet haben. Mutmaßlich sind folglich auch diese Begriffe sehr eng gefasst und direkt auf den Großen Austausch bezogen.

Das rechte Lager, wie es Sellner vorschwebt, dreht sich also um den Bevölkerungsaustausch und ist geradezu monomanisch auf diesen fixiert. Das würde besonders im Bereich der Kultur und in intellektuellen Milieus deutlich werden. Rechte Rockmusiker würden tagein, tagaus über Fälle von Migrantengewalt und die drohenden demografischen Kipppunkte singen, die spannendste Aufgabe eines rechten Intellektuellen bzw. Wissenschaftlers bestünde in der Errechnung dieser Kipppunkte und im Erstellen und Popularisieren von Studien über die negativen Effekte ethnischer Diversität auf ethnisch relativ homogene Gruppen. Ja, eine solche Rechte würde sich den diffamierenden Zerrbildern, die Linke und Liberale von ihr zeichnen, mit der Zeit immer stärker annähern. Doch das wäre nicht einmal das Hauptproblem. Das bestünde darin, dass eine solche Rechte vor allem eines wäre: abgrundtief langweilig.

Die monothematische Rechte

Eine derart monothematische Rechte würde keinerlei kulturelle und geistige Attraktivität auf (noch) Nicht-Rechte ausstrahlen. Kaum ein Künstler und Geisteswissenschaftler würde Teil eines Milieus sein wollen, in dem er auf eine derart einengende Rolle und Aufgabe festgelegt wäre. Diese Festlegung der Kulturszene und der Intellektuellen auf die ihnen gemäße Aufgabe erinnert entfernt, bei aller Vorsicht gegenüber solchen Vergleichen, an die von kommunistischen Machthabern gegenüber der Kultur- und Geisteswelt erhobene Forderung, den Klassenstandpunkt deutlich zu artikulieren. Das Problem an einer solchen Haltung ist weniger, das sie autoritär oder illiberal wäre, sondern vielmehr, dass sie zum Scheitern verurteilt ist. Natürlich ist es begrüßenswert, wenn ein Künstler oder Denker oder Wissenschaftler, der politisch rechts verortet ist, dem wichtigsten Ziel des rechten Lagers deutlich Ausdruck verleiht. Doch das kann ihm keine aktivistische Bewegung verbindlich verordnen. Der einzige Weg, um die Fokussierung auf den Großen Austausch in allen Teilen des rechten Lagers, die Sellner vorschwebt, zu erreichen, ist der, sich die Akteure der Gegenkultur und der Geisteswissenschaft aus dem, was das eigene Milieu derzeit hergibt, selbst heranzuzüchten, diese quasi zu „casten“. Eine Strategie, mit der die Neue Rechte in den letzten Jahren teils leidvolle Erfahrungen gemacht hat. Denn große Denker und Künstler lassen sich nicht casten. Sie sind fast ausnahmslos das Produkt eines Klimas, das für ihre Entstehung förderlich war. Sie entstehen organisch oder gar nicht.

Dazu kommt, dass Sellners Forderung nach alleinigem Fokus auf dem Problem der Demografie elitensoziologisch naiv ist. Im deutschsprachigen Raum gehen Hunderttausende Menschen an Universitäten, in NGOs und in Medienunternehmen Beschäftigungen nach, die auf Außenstehende häufig sinnlos und unnötig wirken (Bullshit Jobs). Doch die Tätigkeiten dieser Gruppe, die einen relevanten Teil der herrschenden Klasse und der Professional Managerial Class (PMC) bildet, erfüllen aus systemischer Sicht sehr wohl einen wichtigen Zweck. Dieser ist gleichzusetzen mit dem Zweck der Ideologischen Staatsapparate in der Theorie Althussers: der Selbstreproduktion der herrschenden Ordnung. Eine Ordnung, die Althusser als kapitalistisch, die intellektuelle Rechte dagegen eher als modern oder (links-)liberal beschreibt. Geisteseliten kommt also die Funktion zu, den hegemonialen Diskurs zu produzieren, zu steuern und zu legitimieren, sowie die, an den Hochschulen eine Nachwuchselite auszubilden und ideologisch auf Linie zu bringen. Die geistigen Ergüsse dieser Milieus sind überwiegend wenig beeindruckend. Zumeist handelt es sich um Post-hoc-Rationalisierungen des Status quo.

Kein Angebot für die Elite?

Entscheidend ist aber, dass dies innerhalb der beschriebenen Milieus völlig anders wahrgenommen wird: Dort sind die Beteiligten fest davon überzeugt, intellektuelle Glanzleistungen zu vollbringen und an revolutionären Theorien zu arbeiten. Aus diesem Selbstverständnis als Avantgarde des Tiefsinns ziehen sie ihre Legitimation und ihr Selbstbewusstsein. Das Problem entsteht nun, wenn Sellner davon ausgeht, mit dem Großen Austausch (der ja gar keine Theorie ist, sondern lediglich eine Tatsache) sowie mit der Propagierung von Pronatalismus und einer neuen Identitätspolitik (gemeint ist wohl Nationalismus) die intellektuelle Neugierde und den Statusdrang der (neuen) akademischen Mittelklasse befriedigen zu können. Das wird nicht gelingen. Denn das Mehr an kulturellem Kapital und Distinktion, das für Hochintelligente mit der Beherrschung und Reflexion extrem komplexer theoretischer Systeme wie der Transzendentalphilosophie, der Systemtheorie, der Diskursethik oder der Poststrukturalismen verbunden ist, findet auf rechter Seite im Angebot Sellners keine Entsprechung in Form von vergleichbar komplexer rechter Theorie. Doch losgelöst von der Frage, ob es solche Theorien auf rechter Seite möglicherweise gibt, stellt Sellner mehrfach unmissverständlich klar, dass er für diese gar keinen Verwendungszweck hätte. Das erstaunt dann doch, weiß man um sein Faible für Heidegger und dessen hermetisch-dunkle Technikkritik.

Eine mögliche Erklärung seiner ausgeprägten Skepsis gegenüber Intellektuellen und dem von akademischen Diskursen geprägten Teil der Professional Managerial Class liegt darin, dass er die historische Entwicklung der radikalen Linken in Westdeutschland analysiert haben könnte: Nach ihrer Formierung und Etablierung in den 60er Jahren zersplitterte sie in den 70er Jahren in Hunderte sektiererische Kleinstgruppen in Form von K-Gruppen, Lesezirkeln, Komitees etc., denen gemeinsam war, dass in ihnen an intellektuellen Detailfragen gearbeitet wurde, dass sie sich trotz völliger Passivität radikal oder extrem gaben und dass sie einander (wenig überraschend) spinnefeind waren. Martin Sellner wird diese intellektualismusinduzierte Zersplitterung genau studiert haben und der Rechten, wissend um ihre ungeheure ideologische Heterogenität und den ihr eigenen hohen Anteil an Querulanten und „Griftern“, das Schicksal der radikalen Linken nach 1968 ersparen wollen. Das ist löblich, aber er schießt dabei übers Ziel hinaus. Das rechtsintellektuelle Kind wird von ihm beim ehrenwerten Versuch, das Bad links akademischer Glasperlenspieler auszugießen, gleich mit ausgegossen.

Die Rechte braucht mehr Debatten!

Dementsprechend soll diese Kritik mit einem Plädoyer für eine pluralistische, eine kreative Rechte schließen. Eine Rechte, die selbstverständlich eine starke aktivistische Bewegung als Teil des gesamten rechten Mosaiks integriert und unterstützt, die aber Widerspruch übt, wenn vonseiten der Bewegung eine „Richtlinienkompetenz“ gegenüber den anderen Teilen des Lagers geltend gemacht wird. Dass ein größerer Binnenpluralismus im rechten Lager vom allgemein akzeptierten Hauptziel, also der Sicherung der Fortexistenz des Volkes, ablenken könnte, erscheint abwegig. Rechtsparteien entwickeln sich derzeit immer häufiger zu Interessenvertretern der jeweiligen Staatsvölker. Dieser Prozess ist als natürliche Begleiterscheinung zunehmender ethnischer Fragmentierung und Überfremdung zu verstehen. Die immer offensichtlichere Realität des Großen Austauschs bewirkt die ethnische Selbstbewusstwerdung, die Transformation rechtspopulistischer Parteien zu Volksgruppenparteien und die Frontstellung der Eigengruppen gegen Fremdgruppen. Diese Frontstellung kann durch (äußere) Krisen und vorübergehende Querfronten aufgeschoben, aber nicht aufgehalten werden. Denn ihre Wurzel hat sie nicht in einem (kollektiven) politischen Willen oder einer Entscheidung, sondern in der Natur des Menschen. Dementsprechend hätte bei aller gebotenen Skepsis am erklärenden Wert soziobiologischer und humanethologischer Theorien ein gelegentlicher Rekurs auf Begriffe wie Territorialverhalten und Fremdenfurcht den Ausführungen des Autors gutgetan. Angetrieben von immer größeren ethnischen Schocks in immer kürzeren Zeitabständen, wird sich das rechte Lager immer stärker auf den Großen Austausch und seine direkten Ermöglichungsbedingungen fokussieren. Die eigentliche Kunst besteht darin, es thematisch zu verbreitern.

Sellners Fokus auf der Demografie scheint dabei dem „Viel-hilft-viel-Denken“ zu entspringen, das er doch eigentlich so ablehnt. Doch wenn 2.000 statt 1.000 Aktivisten gegen den Großen Austausch flyern und Plakate kleben, ist der Effekt nicht doppelt so groß. Statt noch mehr Flyer und Websites über das Problem der Demografie braucht die Rechte mehr und bessere Debatten über Geopolitik, Wirtschaftsordnungen, Naturschutz, Bildungspolitik, Transhumanismus, Geschlechterforschung, Architektur oder Ethik. Sie braucht den zottelbärtigen Öko der alten Schule, der jetzt nicht mehr nur Umgehungsstraßen, sondern auch Windräder verhindern will, den genialen Nerd, der im Keller an bahnbrechenden Forschungen zur Panzerschlacht von Prochorowka und zur Wirtschaftsgeschichte Kursachsens sitzt, die desillusionierte Exfeministin, die nun leidenschaftlich gegen „Wokismus“ und Translobby kämpft und den linken Renegaten, den die geistige Enge linksintellektueller Zirkel nach rechts getrieben hat. Und vor allem muss die Rechte sich von der Illusion verabschieden, sie könne alle neben dem gemeinsamen Hauptziel wesentlichen Fragen auf später, also auf eine Zeit nach der erhofften Übernahme der Regierung verschieben. Täte man dies, so würde sich das breite Zweckbündnis sofort danach über alle möglichen Fragen zerstreiten und die gerade errungene Macht würde zwischen den Fingern zerrinnen.

Eine überzeugende Antwort

Bereits am 14. März 2023, also nur eine Woche nach der Großdemonstration in Tiflis, sitzt die „Frau mit der EU-Flagge“, wie die Georgierin vorgestellt wird, in einem Fernsehstudio von „Radio Free Europe“ (RFE) und spricht in einem Video eloquent über das Ereignis, das sie im Westen berühmt gemacht hat. Es ist eine Hochglanzproduktion, die auf Youtube ihr Publikum finden wird. „Radio Free Europe“ ist ein US-amerikanisches Medienunternehmen mit Sitz in Prag, das Kritikern von links wie rechts als CIA-nahes Propagandainstrument der US-Regierung zur Vorbereitung von Farbrevolutionen gilt. Vergleichbar auffällige Verbindungen bestehen auch zwischen der georgischen Opposition und dem „National Endowment for Democracy“ (NED), einer Organisation, die laut Aussage ihres Expräsidenten Allen Weinstein das öffentlich tut, was die CIA früher verdeckt getan hat. Sowohl RFE als auch NED erhalten direkte Mittel aus dem US-Bundeshaushalt – eine schier unerschöpfliche Geldquelle.

Bleibt die Frage, ob das rechte Lager angesichts der Tatsache, dass es anders als prowestliche Oppositionsbewegungen in Osteuropa und Asien keine milliardenschweren Oligarchen, keine staatsnahen NGOs und keine Supermacht im Rücken hat, dafür aber die nationalen Eliten, staatsnahe NGOs und eine Supermacht gegen sich, auf die Strategie eines Social Change bzw. Regime Change durch Metapolitik und Protestformen im Sinne Gene Sharps setzen sollte? Eine solche Frage kann niemals abschließend beantwortet werden. Sie kann aber überzeugend beantwortet werden. In Regime Change von rechts tut Martin Sellner genau das – und rät mit Leidenschaft und vielen guten Gründen zu dieser von ihm „Reconquista“ genannten Strategie. Die Rechte sollte seinen Rat annehmen.

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Zur Person:

Simon Dettmann, Jahrgang 1993, studierte Philosophie und Geschichte an einer westdeutschen Universität. Zu seinen Interessensgebieten zählen unter anderem Politische Philosophie, Ethik und Architektur.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.