Rezension

Alain de Benoist – „Nach dem Wachstum. Texte zur ökologischen Frage“

Mit seinen Ausführungen zu Ökologie und Postwachstum legt Benoist klare, aber streitbare Forderungen vor, die jedoch auf Umweltkrisen gründen, die eine – im wahrsten Sinne des Wortes – konservativ-nachhaltige Rechte keinesfalls ignorieren kann.

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Alain de Benoist – „Nach dem Wachstum. Texte zur ökologischen Frage“

Das Dogma Wirtschaftspolitik gleich Wachstumspolitik scheint in der modernen Gesellschaft alternativlos. Forderungen zu dessen Überwindung und zum Abschied vom Wachstum werfen unweigerlich Spannungen mit der sozialen Frage auf, denn der Verzicht auf Rendite und Konsum bedeutet Einkommenseinbußen und Wohlstandsminderung. Ist dieser Widerspruch auflösbar, ohne in völlige Utopien abzugleiten? Und kann eine kritische Neue Rechte abseits der kapitalistischen und kommunistischen Materialismen auch neue Wege mit einer eigenen Umweltethik einschlagen?

Ewiges Wachstum unmöglich

Der äußerst produktive, für seine Kritik am Individualismus und den Wachstumspostulaten der liberalen Marktgesellschaft bekannte Alain de Benoist (geboren 1943) beschäftigt sich daran anknüpfend auch mit der Frage der Ökologie. Für den Oikos Verlag Anlass genug, die neue Schriftenreihe Fährten mit einer Textauswahl des Franzosen zu eröffnen. Neben Interviews mit den Zeitschriften Éléments und xFare+Verde gehören zwei Texte aus der 2018 erschienenen Neuauflage Décroissance ou toujours plus?: Penser l‘écologie jusqu'au bout dazu, die in der 2009 erschienenen deutschen Ausgabe Abschied vom Wachstum. Für eine Kultur des Maßhaltens fehlen. Der erste Fährten-Band komplettiert in diesem Zuge die deutsche Übersetzung von Benoists Buch in aktueller Form.

Das von Benedikt Kaiser verfasste Vorwort führt in Benoists Kritik der produktivistischen Logik ein und verweist auf die Unmöglichkeit des ewigen Wachstums und der ewigen Rendite in einer begrenzten Welt. Die hegemoniale Linke kommt nicht ab von der materialistisch-progressiven Weltanschauung: Großkonzerne betreiben mit Greenwashing und woke capitalism linksliberale Ideologien und erzeugen dennoch – oder gerade deshalb – mit immer weniger Menschen immer mehr Produkte und Dienstleistungen.

„Grünes Wachstum“ als inhaltsleere Kosmetik

Im ersten Text des Bandes „Gegen den Produktivismus“ und im Interview mit Éléments beschreibt Benoist wesentliche Probleme der Umwelt im Zusammenhang des liberalen Ideals der individuellen Nutzen- und Gewinnmaximierung und zeigt, warum das Etikett „grünes Wachstum“ nur inhaltsleere Kosmetik sein kann. Drastisch zählt er die schlimmsten Umweltzerstörungen und ökologischen Schäden auf: von den Milliarden Tonnen nicht abbaubaren Plastikmülls über Mensch und Tier vergiftende chemische Substanzen in Umwelt und Nahrungsmitteln, über Artensterben bis hin zu den Todesfällen, die durch Umweltverschmutzung verursacht werden. Zwar ist Umwelt als Modethema durchaus im öffentlichen Bewusstsein, dies bleibt laut Benoist allerdings faktisch folgenlos und ohne tatsächliche Veränderung. Gleichzeitig findet in der modernen Welt nicht nur ein biologisches Massensterben statt, sondern im Zuge der Globalisierung ebenso ein kulturelles Massensterben, in dem unter anderem von der Agrarindustrie induziert traditionelle Gemüse- und Pflanzensorten sowie Nutztierrassen verschwinden.

Benoist geht auf die vermeintlichen und tatsächlichen Folgen der Erderwärmung und knapp auf die verschiedenen Positionen zu den Ursachen des Klimawandels ein. Grundsätzlich nimmt der Franzose die Schlussfolgerungen des Weltklimarates (IPCC) ernst, betrachtet diese als in jedem Falle möglich und betont auch die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler, die von einem anthropogenen Klimawandel ausgehen. Dies mag für den einen oder anderen kritischen Leser befremdlich wirken, denn es ließe sich – abseits von Fridays-For-Hubraum-Vulgarismen – einige berechtigte Kritik an den IPCC-Modellen anführen, die Benoist allerdings außer Acht lässt.* Benoist weist jedoch zurecht darauf hin, dass die Folgeprobleme der Erderwärmung und die des Kohlenstoffausstoßes keinesfalls ignoriert werden dürfen, sollte auch der jetzige Klimawandel natürliche Ursachen haben. Wenn die Politik etwa Luftverschmutzer zur Kasse bittet, besteht die Gefahr, dass saubere Luft – genau wie Böden und Trinkwasser – zur Ware wird. Eine unendliche Ausbeute der Rohstoffe ist unmöglich und der Abbau schwierig zu erreichender, tiefer Bodenschätze wird immer energieaufwändiger. Immer mehr Menschen, immer mehr Globalisierung, immer mehr Verkehr werden Ökosysteme und Lebensgrundlagen vernichten.

Individuelle Wünsche stehen über Gemeinwohl

Als Hauptursachen dieser Wirtschaftsweise benennt Benoist den „Triumph des Unbegrenzten“ in der Moderne (nach Serge Latouche), sprich die Auflösung organischer Bindungen und den Verlust der Verbundenheit an Heimat und Landschaften. Begrenzungen bedeuten in der individualistischen Marktlogik des homo oeconomicus ungerechtfertigte Einschränkungen, Mitmenschen gelten als Konkurrenten. Das angestrebte ewige Wachstum erfordert immer neue Impulse in eigentlich konsumgesättigten Gesellschaften – dabei sollen immer wieder neue kurzlebige Produkte, die geplant altern und überflüssig werden, die Märkte ankurbeln. Maximierung des Privatinteresses, Eigenwohl, individuelle Wünsche und Begierden stehen dabei über dem Gemeinwohl.

Die Antwort des polit-medialen Establishments auf diese Probleme lautet „grünes Wachstum“ – nach Benoist allerdings ein nicht auflösbarer Widerspruch. Die weitere Umweltverschmutzung ist beim Verharren auf Technikglauben und Wachstumsdogma unausweichlich. Es gibt nicht genug Lithium für Millionen Elektrofahrzeuge, zigfach verbaute Komponenten von Wind- und Solaranlagen sind kaum, schlimmstenfalls gar nicht zu recyceln – ewiges, auch „grünes“ Wachstum ist suizidal. Vorgeblich „nachhaltige Entwicklung“ sowie der Versuch, die Ökologie für die Rendite zu nutzen, sind zum Scheitern verurteilt – die Umwelt ist keine Ware.

Rückkehr zur Gemeinschaft notwendig

Benoist räumt ein, dass die Lösungsansätze des Postwachstums in vielerlei Hinsicht noch detaillierterer Ausarbeitung bedürfen, die grundlegenden Maßnahmen liegen dabei dennoch auf der Hand: Ohne Entkommerzialisierung und Rückkehr zur Gemeinschaft und zum Lokalen kann es keinen Erhalt des Lebens geben. Regionale Produktion, wirtschaftliche Selbstversorgung, Subsidiarität, Wiederverwertung und organischer Neuaufbau des landwirtschaftlichen Sektors sind dabei die Kernelemente der Postwachstumstheorie. Postwachstum bietet dabei keinen „stabilen Endzustand“ oder ein „Ende der Zeit“ wie marxistische oder liberale Verheißungen. Im Gegenteil: Die Ökologie ist nach Benoist vielmehr die „entschlossenste Form der Anfechtung“ der Fortschrittsideologie und der Globalisierung.

Im Text „Eigenwert der Natur“ und im Interview mit der Zeitschrift xFare+Verde diskutiert Benoist, wie eine adäquate Umweltethik begründet werden kann und inwiefern der Wert der Natur vom Menschen bestimmt wird. Descartes‘ Dualismus von Geist und Natur, die Annahme einer bloßen Alternative zwischen Anthropozentrismus und Negation des Menschen, die Frage, ob der Mensch Teil der Natur ist oder nicht, ob die Natur ihn beherrscht oder umgekehrt – diese dualistischen und dichotomischen Positionen lehnt Benoist ab und fordert mit Verweis auf Heidegger, genau diese zu überwinden: Weder beherrscht der Mensch die Natur, noch ist er ihr völlig ausgeliefert. Der Mensch existiert nicht einfach, er „bewohnt“ und ist integraler Bestandteil der Natur, dabei aber ein Wesen mit besonderen Eigenschaften und der Fähigkeit zur Reflexion. Gleichzeitig ist der Mensch nicht unmittelbar Teil der abstrakten Menschheit, sondern als soziales Wesen in erster Linie Angehöriger eines Volkes und einer Kultur. Modelle einer „nachhaltigen Entwicklung“ setzten dabei globale Vereinheitlichungsprozesse in Produktion und Konsum fort, ohne die Ursachen der ökologischen Katastrophe selbst anzugehen: die Entwicklung, den „Fortschritt“, den Markt.

Benoist legt mit seinen Ausführungen zu Ökologie und Postwachstum klare, aber streitbare Forderungen vor, die jedoch auf Umweltkrisen gründen, die eine – im wahrsten Sinne des Wortes – konservativ-nachhaltige Rechte keinesfalls ignorieren kann. Rechte, die Heimat bewahren wollen, können es sich nicht leisten, Umweltfragen aus einer bornierten Anti-Haltung gegenüber dem linksgrünen polit-medialen Establishment und dessen Ideologien heraus außer Acht zu lassen. Es liegt auf der Hand, dass Ökologie, Umwelt und Lebensraum aus rechter Sicht – im Gegensatz zur grünen Utopie des „klimaneutralen Wirtschaftswachstums“ – niemals Teil eines globalen Marktgeschehens sein können. Benoist liefert konservative, zugleich revolutionäre Ansätze und Konzepte, die dringend diskutiert werden müssten – denn rechte Weltanschauung beinhaltet das Befassen mit der Wirklichkeit: der Unmöglichkeit des unbegrenzten Wachstums in einer begrenzten Welt.


*Zum Beispiel, dass CO² nur eine Komponente im gesamten, nicht-linearen Klimakomplex ist, deren alleinige Reduzierung die Erwärmung auf eine mithilfe fragwürdiger Modellrechnungen festgesetzte Gradzahl beschränken soll; dass Fördergelder sehr häufig keine ergebnisoffene Forschung zulassen; dass die Durchsetzung politischer Agenden z.B. durch UN, im ideologischen Staatsapparat, im Wissenschaftsbetrieb usw. verhältnismäßig wenig Menschen benötigt; dass in der linken medialen Hegemonie Wissenschaft und Ideologie verschmelzen.


Alain de Benoist: Nach dem Wachstum. Texte zur ökologischen Frage, Oikos Verlag, 136 Seiten, € 16.