Geopolitisches Beben

Iran und Saudi-Arabien begraben ihre Feindschaft

Im Nahen Osten zeichnen sich wichtige Verschiebungen der geopolitischen Gewichte ab – die Position der USA in der Öl-Region wird dadurch weiter untergraben.

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Iran und Saudi-Arabien begraben ihre Feindschaft
Iranische Flagge© Farzaaaad2000, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Bild zugeschnitten)

Peking. - Iran und Saudi-Arabien beschlossen jetzt, das Kriegsbeil zu begraben. Am 10. März schlossen die bisherigen Erzfeinde in der chinesischen Hauptstadt Peking einen wichtigen Vertrag ab. Dieser sieht vor, die 2016 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen und innerhalb von zwei Monaten Botschaften zu eröffnen. Erneuert wird auch ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Ländern aus dem Jahre 2001 im Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus.

Dem Vertragsabschluss, der für viele westliche Beobachter überraschend kam, waren in den letzten zwei Jahren Verhandlungen im Irak und Oman vorausgegangen. Er erlangt durch die Beteiligung Chinas besonderes Gewicht. Noch im letzten Dezember hatte sich Peking einer Erklärung der arabischen Staaten angeschlossen, die Iran wegen angeblicher Unterstützung terroristischer Aktivitäten verurteilte.

Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten

Die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hatten sich im Jahre 2016 dramatisch verschlechtert, nachdem in Saudi-Arabien ein schiitischer Geistlicher öffentlich hingerichtet worden war. Das verschärfte die Spannungen zwischen den beiden islamischen Konfessionen – Sunniten und Schiiten – erheblich. In der iranischen Hauptstadt Teheran kam es zu Demonstrationen und in der Folge zu Übergriffen auf die saudische Botschaft. Die diplomatischen Beziehungen wurden eingefroren.

Iran und Saudi-Arabien führen derzeit noch eine Reihe von Stellvertreterkriegen gegeneinander. Besonders dramatisch ist der nicht endende Stellungskrieg im Jemen, wo die inzwischen seit Jahren andauernden Kämpfe zwischen sunnitischen und schiitischen Milizen die Bevölkerung in eine Hungersnot gestürzt haben.

Auch in Syrien stehen sich von Saudi-Arabien und vom Iran unterstützte Milizen gegenüber. Und im Libanon schwelt auf kleiner Flamme ein Stellvertreterkrieg der beiden Regionalmächte am Persischen Golf. Beobachter rechnen nicht damit, dass diese Stellvertreterkriege infolge des Vertragsabschlusses in Peking nun bald ein Ende finden. Der viel gravierendere Effekt ist jedoch, dass durch die Annäherung der beiden langjährigen Konfliktparteien die Stellung Washingtons in der Region weiter geschwächt wird. Das amerikanische Argument, die Präsenz der USA sei schon zum Schutz der arabischen Ölquellen gegen den Iran unabdingbar, verliert an Gewicht. Andererseits sind die USA mittlerweile auch weit weniger auf das arabische Öl angewiesen als vor Jahrzehnten.

Neue, post-amerikanische Ordnung

In der arabischen Welt wiederum hat bei vielen US-Verbündeten der desaströse Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan im August 2021 zu einem Umdenken geführt. Vielfach wird in der Region nunmehr China als verlässlicherer Partner betrachtet. So verkauft Saudi-Arabien seine fossilen Rohstoffe inzwischen bevorzugt an die Volksrepublik China. Auch ansonsten versucht sich China als unparteiischer Akteur zu profilieren, der in Konfliktfällen eher zu vermitteln versucht.

Der chinesische Präsident Xi Jinping war erst im vergangenen Dezember in Saudi-Arabien, das seine digitale Infrastruktur exklusiv vom chinesischen Konzern Huawei ausbauen lässt. Zudem hat Saudi-Arabien mittlerweile seine Mitgliedschaft im BRICS-Verbund beantragt – ein weiterer Affront an die Adresse Washingtons. Die USA versteifen sich unterdessen zunehmend auf die Konfrontation mit China. Dass sie sich zusammen mit ihren westlichen Verbündeten zunehmend ins Abseits manövrieren, während sich der afrikanische und eurasisch-asiatische Länderblock immer mehr zusammenschließen und vom Westen emanzipieren, versucht man in Washington noch geflissentlich zu übersehen.

Eine neue, post-amerikanische Ordnung scheint allerdings nicht mehr aufzuhalten. Peking peilt bereits einen weiteren diplomatischen Coup an – die Ausrichtung eines großen Nahost-Gipfels, an dem die USA nicht beteiligt sein werden. Laut dem Wall Street Journal (WJS) soll noch in diesem Jahr ein hochrangiges Treffen von Vertretern der arabischen Golfstaaten und des Iran in der chinesischen Hauptstadt stattfinden. Der chinesische Präsident Xi Jinping trug die Idee für einen solchen Gipfel während eines regionalen Gipfeltreffens vor, an dem er im Dezember in Riad teilnahm. Dem WSJ zufolge begrüßten die Staats- und Regierungschefs des Golfkooperationsrates (GCC), der aus sechs Ländern besteht, Xis Vorschlag, die Spannungen mit dem Iran abzubauen.

Wie weit die Emanzipation von der amerikanischen Bevormundung inzwischen vorangeschritten ist, machen auch Nebensächlichkeiten deutlich: bei den letzten Geheimgesprächen zwischen iranischen und saudischen Vertretern in Peking vereinbarten dem WSJ zufolge alle Parteien, „bei den Verhandlungen kein Englisch zu verwenden, sondern Reden und Dokumente auf Arabisch, Farsi oder Mandarin zu verfassen“.