In der Migrationskrise offenbaren sich nicht nur die Schwächen und das Scheitern des permissiven Staates, sondern auch die grassierenden Verständnis- und Erklärungsnöte der Öffentlichkeit. Während der deutsche Staat in seiner Führung handlungsunfähig erscheint, fehlt es dem medialen Establishment an krisenfesten Begriffen. Allzu viele übersehen die Fragilität eines Gemeinwesens, das durch den Sozialstaat getragen wird. Es fußt auf Solidarität und Vertrauen – Werte, die in einem Land mit ungeregelter Einwanderung gefährdet sind. Der Sozialstaat und seine Segnungen lassen sich nicht ins Unendliche expandieren. Diese Unvereinbarkeit mit der Massen-einwanderung verdeutlicht der im September 2016 verstorbene Historiker Rolf Peter Sieferle in seiner letzten Studie. Er beleuchtet die Situation in den Zielländern, er widerlegt die herrschenden Flüchtlings-Narrative und analysiert die gesinnungsethischen Motive der führenden Akteure. Diese Form der Aufklärung entlarvt die Irreführungen einer »emphatischen Politik« (Sieferle). Die Senti-mentalisierung der »Flüchtlings«-Debatte kontert der Autor mit ebenso nüchternem Blick wie die Narrenfeuer der Medien. Rolf Peter Sieferle überwindet die Sprachverbote der »offenen« Gesellschaft.
ROLF PETER SIEFERLE
1949–2016, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie an den Universitäten Heidelberg und Konstanz und war seit 2005 ordentlicher Professor für allgemeine Geschichte an der Universität St. Gallen. Sein Fachgebiet war die Naturgeschichte der menschlichen Gesellschaften, deren Eigenarten und Funktionsweisen Sieferle aus der jeweiligen Energiewirtschaft ableitete. Zu seinen Hauptwerken zählen Der unterirdische Wald (1982), Epochenwechsel (1994) und Rückblick auf die Natur (1997). Das Migrationsproblem schloß Sieferle unter dem unmittelbaren Eindruck der 2015 begonnenen Massenzuwanderung kurz vor seinem Tod im September 2016 ab.