Will Kronzeuge werden: Schmid packt über Kurz & schwarze Netzwerke aus

Knalleffekt in der Korruptionsaffäre, welche die Volkspartei spätestens seit den Razzien im Kanzleramt und in der Parteizentrale mit folgendem Rücktritt von Ex-Minister Sebastian Kurz begleitet. Denn Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid kooperiert mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – und das bereits seit April.
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Wien. – Nicht weniger als fünfzehn Tage lang wurde Schmid bislang einvernommen. Der langjährige Intimus von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ebenfalls ÖVP) belastete dabei mehrere frühere Weggefährten schwer. Darunter befinden sich auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) oder der Krone-Miteigentümer und Signa-Chef René Benko, bei dem ebenfalls am Dienstag eine Razzia stattfand – es soll um den Vorwurf der Bestechung gehen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Chat-Nachrichten offenbarten Sittenbild

Der Fund brisanter Chatnachrichten auf Schmids Mobiltelefon brachte die ÖVP-Korruptionsaffäre im Vorjahr ins Rollen. Die damit verbundenen Enthüllungen zeichneten ein düsteres Bild einer Partei, deren Personal sich anscheinend die Republik zur Beute machte, indem man Posten ausdealte, sich mit Inseraten wohlgefällige Umfragen kaufte, für Parteifreunde an höchster Stelle „intervenierte“ und innerparteiliche Intrigen spann. Sobotka soll sich als Innenminister etwa dafür eingesetzt haben, dass Steuerprüfungen bei ÖVP-nahen Stiftungen und Instituten verhindert wurden.

„Du bist Familie“, gefolgt von Kuss-Smileys: In aller Munde sind die anzüglich anmutenden Nachrichten zwischen Schmid, einst Generalsekretär im Finanzministerium und Blümel, der dieses Ressort später übernehmen sollte. Für Schmid schaute der Posten als Chef der Beteiligungsfirma der Republik, die von der ÖBIB in die ÖBAG umgemodelt wurde, heraus. Die Ausschreibung soll Schmid selbst orchestriert haben. Abfällige Bemerkungen über einfache Bürger und Verwaltungsangestellte („Pöbel“, „Tiere“) zeichneten in den Augen vieler Österreicher ein zusätzlich moralisch untragbares Sittenbild.

Kurz angeblich zentraler als angenommen

Nun will er ebenso wie Meinungsforscherin Sabine Beinschab – ihr „Tool“ war zentral in der Erstellung mutmaßlich geschönter Umfragen in Boulevardmedien – einen Kronzeugen-Status beantragen. Das heißt: Als Austausch für belastende Informationen über mögliche Mittäter wird Straffreiheit weitgehend garantiert. Schmid plauderte aus dem Nähkästchen: Von der Inseratenaffäre über die Steuercausa um Unternehmer Siegfried Wolf („Du bist die Hure für die Reichen“) bis zu mutmaßlichen Falschaussagen von Kurz, seinem Vertrauten Bernhard Bonelli und Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremser.

Die Details der Vernehmung haben es in sich. Schmid gab an, dass er mit Geld des Finanzministeriums das „Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz“ unterstützt habe. Das betraf Personen im Kabinett, Postenbesetzungen und die Vorbereitung von Regierungsverhandlungen. Dabei habe er auch teilweise am jeweiligen Finanzminister vorbei gearbeitet. Pikant: Laut Schmid soll Kurz davon gewusst haben, dass das Geld dafür aus dem Finanzressort kam. Der Ex-Kanzler habe ihn sogar unter Druck gesetzt. Dieser ließ die erhobenen Vorwürfe umgehend über einen Anwalt dementieren.

Schmid wirklich ein Geläuterter?

So habe Kurz ihm rund um das Aufkommen der Korruptionsaffäre im Oktober des Vorjahres nahegelegt, die ganze Schuld auf seine Kappe zu nehmen und den Kanzler zu entlasten. Schmid kam sich benutzt vor, laut eigenen Aussagen der Auslöser für einen persönlichen Wandel: „Nach meinem Ausscheiden aus der ÖBAG habe ich beschlossen einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen die ganze Sache aufzuarbeiten. Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren.“ Dieses „reumütige Geständnis“ wäre eine der Voraussetzungen für den Kronzeugenstatus.

Doch nicht alle sind der Ansicht, dass ihm dieser zustehen sollte. So etwa der FPÖ-Fraktionsführer im zugehörigen Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, der bemängelte, dass Schmid das parlamentarische Kontrollgremium seit mehr als einem Jahr „an der Nase herumführt“. So ein Status steht nur einem Minderbelasteten zu und nicht jemanden, der in der Mitte des Geschehens stehe. Also bei einem Banküberfall etwa der Fahrer und nicht jemand, der selbst im Tresorraum stand. Er kündigt daher parlamentarische Anfragen an ÖVP-Innenminister Karner und die grüne Justizministerin Alma Zadić an.

Zu den schwarzen Netzwerken in Österreich empfehlen wir als Lektüre: „Der Schwarze Faden“ von Hans-Jörg Jenewein, FREILICH Medien, Graz 2021, 200 Seiten, 19,90 Euro. Bestellen Sie Ihr Exemplar jetzt unter [email protected]


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Der schwarze Faden 2.0 (23.01.2022)

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„Der schwarze Faden“: ÖVP-Netzwerke, Strukturen und Machtmissbrauch (26.01.2022)