Stillstand in Niedersachsen: Hunderte ausreisepflichtige Libanesen und Iraner werden nicht abgeschoben
Trotz eindeutiger Rechtslage und einer wachsenden Zahl vollziehbar ausreisepflichtiger Personen versagt Niedersachsen zunehmend beim konsequenten Vollzug staatlicher Autorität.
In Niedersachsen halten sich aktuell mehr als tausend ausreisepflichtige Libanesen und Iraner auf – abgeschoben wurde in diesem Jahr jedoch noch kein einziger von ihnen. (Symbolbild)
© IMAGO / EHL MediaHannover. – In Niedersachsen werden Abschiebungen bestimmter Herkunftsgruppen de facto nicht mehr vollzogen. Das belegen Zahlen der Landesregierung, die aus der Antwort auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Stephan Bothe hervorgehen. Demnach wurden im Jahr 2025 bislang weder Libanesen noch Iraner abgeschoben, obwohl 785 ausreisepflichtige Libanesen und 424 ausreisepflichtige Iraner in Niedersachsen leben. Bereits im Jahr 2024 wurden lediglich drei libanesische Staatsangehörige und kein einziger Iraner rückgeführt.

Bothe spricht in diesem Zusammenhang von einem vollständigen Zusammenbruch des Vollzugs: „Die von der Landesregierung bekanntgegebenen Zahlen dokumentieren nicht nur eine über Herkunftsländergrenzen hinweg katastrophale Abschiebequote, sondern erstmals, dass Abschiebungen komplett eingestellt wurden“, so der Abgeordnete in einer Aussendung. Die Landesregierung verweist in ihrer Antwort unterdessen auf eine Vielzahl individueller Vollzugshindernisse wie ungeklärte Identität, fehlende Reisedokumente oder familiäre Bindungen.
Härtefallkommission als Schutzschirm
Die Lage gewinnt vor allem wegen der Rolle der Härtefallkommission an Brisanz. An diese können sich vollziehbar ausreisepflichtige Personen wenden, obwohl ihr Aufenthaltsbegehren bereits über Jahre hinweg und häufig erfolglos geprüft wurde. Das Verfahren hat keine festen Fristen, sodass individuelle Prüfungen, Ressourcenknappheit und zusätzliche humanitäre Belange die Verfahren häufig um Jahre verlängern. Die Dimension des Problems zeigt sich auch in der Menge der Fälle: Allein bis August 2025 gingen 1.436 Eingaben bei der Härtefallkommission ein.
Bothe kritisiert genau dieses System: „Dass die Landesregierung daran nicht unschuldig ist, sondern solche Zustände durch ihre Politik mindestens begünstigt, zeigt die Arbeit der sogenannten Härtefallkommission.“ Er verweist auf Erfahrungen aus Ausländerbehörden: „Praktiker, die in den Ausländerbehörden tätig sind, berichten, dass durch den Zeitablauf während des Härtefallverfahrens selbst diejenigen letztlich einen Aufenthaltsstatus auf irgendeinem Wege erlangen, bei denen selbst die Kommission keinen Schutzbedarf erkennt.“
Wer lange genug illegal bleibt, darf bleiben
Bei Kriminellen hat dieser Mechanismus zusätzliche sicherheitspolitische Brisanz. Zwar sieht die Landesregierung in ihrer Antwort komplexe Regeln vor, nach denen schwere Straftaten ein Annahmehindernis für die Kommission darstellen können. Es gibt jedoch eine Ausnahmeregel, wenn die Verurteilung drei Jahre (Jugendstrafe) beziehungsweise fünf Jahre (Erwachsenenstrafe) zurückliegt und keine erneute Straftat dazwischenkam.
„In den Genuss der totalen Abschiebeverweigerung bei bestimmten Staatsangehörigen kommen – trotz deutlicher Überrepräsentanz insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität – auch Schwerstkriminelle und Gefährder“, kritisiert der Abgeordnete. Er sieht zudem eine Fehlsteuerung: „Die Härtefallkommission nimmt Fälle von Kriminellen an, wenn diese es nur schaffen, nach der Freiheitsstrafe lange genug trotz illegalen Aufenthalts in der Bundesrepublik zu verbleiben“.
Signalwirkung für weitere Migranten?
Zu Bothes Kernvorwürfen gehört, dass Vollzugsdefizite nicht nur eine Nebenwirkung seien, sondern ein politisch geduldetes Ergebnis: „Aufgrund der Untätigkeit der Landesregierung müssen sie sich auch bei Straffälligkeit keine Gedanken über ihren Aufenthaltsstatus machen.“ Die Landesregierung hält dieser Lesart entgegen, dass Duldungen regelmäßig aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erteilt werden, beispielsweise aufgrund fehlender Reisedokumente oder humanitärer Umstände. Die AfD sieht jedoch eine Signalwirkung: Die Verfahren und die Härtefallpraxis wirkten nicht abschreckend, sondern aufenthaltsverlängernd.
In der Konsequenz fordert die AfD einen radikalen Kurswechsel: „Wir fordern im Rahmen einer grundlegenden Migrationswende die sofortige Abschaffung der Härtefallkommission“. Ausreisepflichtige Ausländer, insbesondere Kriminelle, hätten „spätestens nach einem oft jahrelangen Asylverfahren ihr Aufenthaltsrecht verwirkt“, so Bothe. Die Partei sieht Niedersachsen als Negativbeispiel – und hofft, mit dem Thema bundesweit Druck aufzubauen.



