Nicolaus Fest (AfD)

„Wo Hunderte Milliarden verteilt werden, gibt es immer Korruption“

Am 9. Dezember wurde die griechische Sozialistin Eva Kaili im Zuge einer Razzia wegen des Verdachts auf Korruption festgenommen. Bereits einen Tag später wurde sie von ihrem Amt als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zuerst suspendiert und später per Abwahl abgesetzt. Freilich hat mit mit dem AfD-Europaabgeordneten Dr. Nicolaus Fest über den aktuellen Korruptionsskandal gesprochen.

Interview von
15.12.2022
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4 Minuten Lesezeit

Freilich: Herr Fest, die Nachricht über die Razzien schlugen wortwörtlich wie eine Bombe ein. Mehreren Personen, darunter der EP-Vizepräsidentin Kaili, wird Korruption vorgeworfen und Polizeibeamte fanden große Summen an Bargeld in Privathäusern. Hat Sie dieser Vorfall überrascht? Oder war sowas zu erwarten? Wie haben Sie zuerst darauf reagiert, wie reagierten andere Parlamentarier?

Nicolaus Fest: Wo Hunderte Milliarden verteilt werden, gibt es immer Korruption. Dass allerdings wie im Drogenhandel 1,5 Millionen Euro in kleinen Scheinen gefunden wurden, war tatsächlich überraschend – und wirft die Frage auf, ob es wirklich nur um die Liberalisierung von Visa für Kataris ging - oder um ganz andere Dinge.

Die Reaktion des Parlaments war klar: Hat nichts mit uns zu tun, sind Einzelfälle, ist kein strukturelles Problem. Das kommt von eben jenen Parteien, die sonst jede Äußerung irgendeines Trump-Anhängers in den USA als Ausweis für die faschistische Gesinnung aller konservativen Parteien bewerten oder Ungarn und Polen strukturelle Defizite vorwerfen. Auch die Einschätzung der Parlamentspräsidentin Metsola war enttäuschend: Ihr zufolge ist die Korruptionsaffäre "ein Angriff auf die EU-Institutionen", was heißen soll: Eigentlich sind die bösen Kataris schuld, nicht diejenigen, die das Geld genommen haben.  

Obwohl die Arbeit in Brüssel und Straßburg durchaus gut bezahlt wird, bereichern sich die angesprochenen Akteure zusätzlich noch über andere Wege. Ähnliche Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft gab es auch in Deutschland, siehe Aserbaidschan oder die Maskenaffäre. Steht der aktuelle Vorfall für eine gewisse Dekadenz unter den politischen Führungspersonen? Oder bricht hier nur eine normale menschliche Gier durch? Sind die EU-Strukturen anfällig für Korruption und Vetternwirtschaft?

Von einer allgemeinen Dekadenz des politischen Personals würde ich nicht sprechen. Es gibt auch hier viele integre Personen, aber es gibt auch andere. Ich gehe davon aus, dass in Parlamenten die übliche Normalverteilung menschlicher Schwächen und Stärken zu finden ist. Allerdings gibt es Kulturen, die weniger anfällig für Korruption sind als andere. Auch dieser Fall ist ja keiner der Schweden, Dänen oder Finnen... 

Auf der einen Seite ist der Vorfall ein gefundenes Fressen für EU-Kritiker, auf der anderen Seite könnte man ja auch argumentieren, der Vorfall demonstriere, dass sich die EU-Organe und Behörden gegen Korruption wehren würden. Herr Fest, sind die aktuellen Entwicklungen "nur Zufall" oder gibt es einen strengen Willen innerhalb der EU, Korruption zu bekämpfen?

Den Willen gibt es. Aber es fehlen oft die Strukturen. So lange beispielsweise die ID-Fraktion keinerlei Leitungsposten im Präsidium oder in den Ausschüssen hat, weil die linken Parteien diese Gremien klar rechtswidrig als "closed shop" betrachten, fehlt es an der notwendigen internen Kontrolle. Das gilt ebenso für die nebulöse Besetzungsauswahl von Leitungsposten innerhalb der mächtigen EU-Verwaltung. Auch die Transparenzregeln sind stark verbesserungsfähig. Dass beispielsweise nur Treffen mit Lobbyisten veröffentlicht werden müssen, nicht aber mit hochrangigen politischen Vertretern (z.B. der Kataris), ist schlicht absurd.  

Ist Korruption – in Hinsicht auf die vorangegangene Frage – ein großes Problem innerhalb der EU? Ist der Fall um Kaili möglicherweise nur die Spitze des Eisberges?

Ja, das ist es. Ein Hauptproblem ist dabei die völlig undurchsichtige Mittelvergabe an NGOs. Dies wird, obwohl es um Hunderttausende und insgesamt um viele Hundert Millionen jährlich geht, von den Ausschussvorsitzenden weitgehend "freihändig" entschieden, und ohne jede Nachkontrolle. So hat die Liberale Sophie Int' Veld einst Feldstudien an mehrere Kleinst-NGOs vergeben – die seltsamerweise alle den gleichen Geschäftsführer hatten. Erst meine Drohung, die Antikorruptionsbehörde OLAF einzuschalten, hat dann zu einer Neuverteilung geführt. Aber tatsächlich ist die NGO-Finanzierung nichts anderes als skandalöse Klientel-Politik der Linksparteien. Und dass es hier keine "Kickbacks" gibt, halte ich für unwahrscheinlich.

Die Verdächtigen sollen aus Katar Gelder erhalten haben, um für das kleine arabische Land Werbung zu machen. Warum denken Sie haben externe Akteure Interesse daran, mittels solcher Zahlungen Einfluss auf die EU zu nehmen?

Katar gehört zu den Hauptfinanziers des Islamismus. Solche Leute nach Europa visumsfrei einzuschleusen, die dann hier Landsleute bedrohen und kriminelle Strukturen aufbauen können, ist ein großer Vorteil. Ob allerdings so groß, dass man für eine Abstimmung in einem Ausschuss Millionen ausgibt, scheint mir zweifelhaft. Da muss es noch andere Dinge geben.

Was werden die AfD und die ID-Fraktion unternehmen?

Was immer möglich ist. Allerdings steht die linke Mehrheit aus Grünen, Sozialisten und Liberalen schon wieder auf jeder Bremse.

Zum Schluss noch: Ist es nicht ironisch, dass man der AfD immer vorgeworfen hat, für fremde Akteure tätig zu sein, ohne es beweisen zu können und nun der größte Korruptionsskandal eine griechische Sozialistin betrifft? Würden Sie sagen, dass das vielleicht Karma ist?

Tatsächlich ist die Fallhöhe zwischen moralischem Anspruch und Wirklichkeit bei den Linken immer sehr hoch. Dass ausgerechnet Sozialisten, die bei jeder Gelegenheit den immer exzessiveren Schutz sexueller Minderheit einfordern, sich von einem der sexuell repressivsten Staaten bezahlen lassen, ist nicht ohne Komik. Daher herrscht auch große Wut unter jenen Linken, die kein Geld bekommen haben.


Zur Person:

Dr. Nicolaus Fest ist ein deutscher Jurist, Journalist und Politiker. Seit 2016 ist er in der AfD, seit 2019 sitzt er für die Partei im Europaparlament. Vor seiner politischen Laufbahn war Fest von 2001 bis 2012 Teil der BILD-Chefredaktion, später stellvertretender Chefredakteur der BILD am SONNTAG. Nach einem islamkritischen Kommentar kam es zur Trennung vom Axel Springer Verlag.