Blindflug in Syrien: Fördert Deutschland unbeabsichtigt jihadistische Einflussräume?
Während Berlin Millionen in den Wiederaufbau des syrischen Gesundheitswesens investiert, bleibt unklar, welche lokalen Akteure tatsächlich von den Fördermitteln profitieren. Kritiker sehen in genau dieser Intransparenz ein politisches Risiko.
Berlin/Damaskus. – Nach dem Sturz der Assad-Regierung im Dezember 2024 hat die Bundesregierung ihre Entwicklungs- und Wiederaufbauprogramme in Syrien massiv ausgeweitet. Allein im Gesundheitssektor flossen im Jahr 2025 mehr als 15 Millionen Euro in sogenannte Klinikpartnerschaften und weitere 17,5 Millionen Euro in Projekte zur Beschäftigungsförderung und psychosozialen Unterstützung. Hinzu kamen umfangreiche Mittel der humanitären Hilfe sowie Beiträge zum „Syria Recovery Trust Fund”, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht.

Seitens der Bundesregierung heißt es darin, eine Stabilisierung Syriens könne „nur dann erfolgreich sein, wenn die Bedürfnisse und Rechte aller Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden“. Doch genau hier beginnt die Kritik: Ein Teil dieser Gelder landet zwangsläufig in Regionen, die von fundamentalistischen Gruppen oder dschihadistisch beeinflussten Milizen kontrolliert werden. Wie sichergestellt werden soll, dass deutsche Mittel nicht in extremistische Strukturen abfließen, bleibt in zentralen Punkten offen.
Bundesregierung verweigert Transparenz
Im Jahr 2025 wurden laut Regierungsangaben unter anderem Ultraschallgeräte, EKGs, Defibrillatoren, Laborausrüstung, Inkubatoren und Operationstische beschafft. Die Bundesregierung betont, dass humanitäre Hilfe ausschließlich nach Bedarf vergeben wird und politische oder religiöse Ausrichtungen dabei keine Rolle spielen. Gleichzeitig macht sie jedoch deutlich, dass sie die syrische Übergangsregierung weiterhin „an ihren Taten messen” werde – insbesondere was den Schutz von Minderheiten, die Beteiligung von Frauen und die Aufarbeitung früherer Verbrechen betrifft.
Einer der heikelsten Punkte der Anfrage betrifft die Frage nach lokalen Partnerorganisationen, die deutsche Gelder erhalten. Die Bundesregierung verweigert jede konkrete Auskunft und begründet dies mit Sicherheitsgründen. Eine Nennung sei nicht möglich, da keine Einwilligung vorliege und die öffentliche Bekanntgabe „ein nicht unerhebliches Risiko für den Bestand der lokalen nichtstaatlichen Organisationen vor Ort und für die Gesundheit und ggf. sogar das Leben der für die lokale Partnerorganisation tätigen Personen bedeuten“ würde.
Zugang für vulnerable Gruppen im Fokus
Nach eigenen Angaben will die Bundesregierung insbesondere Frauen, Menschen mit Behinderung sowie Angehörige ethnisch-religiöser Minderheiten im Land stärken. Die zuständigen Durchführungsorganisationen schulen medizinisches Personal demnach darin, alle Patienten „mit Würde zu behandeln, unabhängig von Geschlecht, Behinderung, Alter oder Herkunft“. Frauen sollen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. In Kliniken und Entbindungsstationen sollen zudem spezialisierte Fachkräfte tätig sein, um eine reproduktive und neonatale Versorgung sicherzustellen.
Unsicherheiten und Beschaffungsstopps
Die Bundesregierung räumt ein, dass es 2025 aufgrund von EU-Sanktionsrichtlinien zeitweise zu Unsicherheiten kam. Ein Projekt im Nordosten Syriens musste deshalb „kurzzeitig“ pausieren. Um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, setzt man auf Sanktionsprüfungen und „angemessene Compliance-Vorkehrungen“.
Gleichzeitig drängt Berlin auf eine Lockerung oder Harmonisierung internationaler Sanktionen, um Projekte künftig ungehinderter umsetzen zu können. Kritiker sehen darin das Risiko, dass Deutschland unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe Strukturen stabilisiert, die mit westlichen Werten kaum vereinbar sind. Bereits in der Anfrage der Linksfraktion wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass deutsche Fördergelder in ein Umfeld fließen, das aufgrund seiner „komplexen politischen und sicherheitsrelevanten Lage“ anfällig für „Einflussnahme durch extremistische Akteure“ ist.



