Urteil in Graz: Vier Jahre Haft für Ex-„Aula“-Chefredakteur Pfeiffer
Am Mittwoch wurde in Graz das Urteil gegen den ehemaligen Aula-Chefredakteur verkündet. Er wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Verteidigung dürfte Einspruch gegen die Entscheidung einlegen.
Der Prozess gegen Martin Pfeiffer wurde am Landesgericht für Strafsachen Graz verhandelt. Am Mittwoch fiel das Urteil.
© IMAGO / CHROMORANGEGraz. – Vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz wurde der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Aula, Dr. Martin Pfeiffer, am Mittwoch zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Die Geschworenen sahen sowohl den Tatbestand der NS-Wiederbetätigung als auch den der Verharmlosung des Nationalsozialismus als erfüllt an. Die Strafhöhe blieb unter dem Maximum, da die lange Dauer des Verfahrens sowie Pfeiffers bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd bewertet wurden.

Reaktionen zum Urteil
Unmittelbar nach der Entscheidung meldete sich die NGO SOS Mitmensch, die bereits 2018 die Anzeige eingebracht hatte, zu Wort. Ihr Sprecher Alexander Pollak erklärte: „Die FPÖ-Parteispitze saß bei dem Wiederbetätigungsprozess de facto mit auf der Anklagebank. Der Schuldspruch betrifft auch sie.“ Auch Vertreter von SPÖ und Grünen forderten politische Konsequenzen.
Auch die Journalistin Colette M. Schmidt vom Standard ordnete das Urteil ein und meinte, dass nach dem Ende der Aula 2018 andere „Propagandakanäle“ ihre Funktion übernommen hätten. Täglich würde der Artikel neun des Staatsvertrages, die Verpflichtung zum Antifaschismus, „mit Füßen getreten“. Aula-Texte seien nie Einzelfälle gewesen, so Schmidt, „dieser Prozess kann daher nur ein Anfang sein“.
Streitpunkt: Alte Texte neu bewertet
Während der Verhandlung spielte auch die historische Dimension der geprüften Inhalte eine Rolle. Mehrere der herangezogenen Artikel waren Jahrzehnte alt. Die Frage, ob diese rückwirkend strafrechtlich relevant sein können, beschäftigte die Diskussion im Gerichtssaal über weite Strecken.
Für Kritik sorgte die Entscheidung vor allem in Kreisen des Senders AUF1, der den Prozess eng begleitete. Prozessbeobachter Philipp Huemer kommentierte dazu: „Das Urteil ist mehr als bedenklich – auch völlig unabhängig davon, was man von der ‚Aula‘ insgesamt oder einzelnen ihrer Inhalte halten mag. Denn in Bausch und Bogen wurden mit diesem Urteil über hundert Textstellen, die zum Teil überhaupt nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun haben und sich stattdessen mit zugespitzter Kritik an Migration und Globalismus beschäftigen, als NS-Wiederbetätigung und damit als illegal eingestuft.“
Staatsanwalt betont gesellschaftliche Relevanz
Das Verfahren erhielt eine klare politische Dimension, was sich auch im Schlussplädoyer der Anklage zeigte. Der Staatsanwalt bezeichnete die Geschworenen als „Pioniere“, da sie „entscheiden, ob solche gefährlichen Ideologien weiter in die Welt getragen werden dürfen“, berichtet AUF1. Zudem verwies er auf den „zunehmende[n] Extremismus und Antisemitismus“ und die Bedeutung des Prozesses, „um aufkommendes NS-Gedankengut wieder im Keim zu ersticken“. Pfeiffer selbst hatte bestritten, NS-Ideologien verbreitet zu haben.
Anklage wollte härtere Strafe
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen „Aufforderung zu nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ angestrebt. Dieses Delikt sieht einen möglichen Strafrahmen von fünf bis zwanzig Jahren vor. Nach dem Urteil erbat Pfeiffers Verteidiger Bernhard Lehofer Bedenkzeit. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass er das Urteil beeinspruchen wird. In seiner Ablehnung dürfte er sich demnach auf eine angebliche Befangenheit der Historiker-Gutachter aus Deutschland sowie auf die Hauptargumentation seines Schlussplädoyers, einen „Rechtsirrtum“, stützen. Wie schon während des Gerichtsverfahrens argumentierte Lehofer in seinem Schlussplädoyer, dass sämtliche Publikationen der Aula strafrechtlich nicht relevant seien, da der Verfassungsschutz seit 2005 über ein Abonnement der Zeitschrift verfügt habe und Pfeiffer somit davon ausgehen konnte, dass der Staatsschutz sämtliche Ausgaben ständig mitgelesen habe.
Ein ehemaliger Staatsschützer hatte im Laufe des Prozesses bestätigt, dass die Zeitschrift von der Behörde abonniert worden war. De facto habe aber kaum jemand reingelesen. Nur er habe sich, wenn es die Zeit erlaubte, hin und wieder darum gekümmert. Laut Lehofer habe sein Mandant gewusst, „alles was veröffentlicht wurde, landet zur Überprüfung bei den Rechtsextremismusexperten des Verfassungsschutzes. Und auch bei der Staatsanwaltschaft“. Wer „das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, handelt nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist“, so Lehofer mit dem Verweis auf die entsprechende Gesetzesstelle.



