Sezession Heft 100: Götz Kubitschek im Interview

Seit 2003 gibt das Institut für Staatspolitik die rechtsintellektuelle Zeitschrift Sezession heraus. Vor kurzem ist die 100. Ausgabe erschienen. Im Tagesstimme-Interview zieht der Verleger und Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek Bilanz. Er spricht über die Anfänge der Zeitschrift, wo sie heute steht und wie es weitergeht.
Interview von
23.2.2021
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4 Minuten Lesezeit
Tagesstimme: Herr Kubitschek, wir gratulieren zum Hunderter! Wo steht die Sezession heute, 100 Ausgaben nach der ersten?  

Götz Kubitschek: Quantitativ: auf eigenen Beinen, mit etwas über 4.000 Abonnenten zum einen finanziell, zum anderen an der Grenze dessen, was man mit rechtem Denken und ohne Pornoseiten, mit Tiefenbohrung und ohne Hochglanz erreichen kann. Qualitativ: Die Sezession blättert man nicht durch, da gibt es viel besser geeignete Magazine. Uns liest man, vielleicht nicht komplett, vielleicht mit dem Bleistift in der Hand, sicherlich nicht so nebenbei. Hundert Ausgaben nach der ersten: immer noch dasselbe damals festgelegte Format, dieselbe Schrift, dieselbe Hefteinteilung, derselbe Anspruch. Immer noch wach, zugespitzt, polemisch, waghalsig, immer noch dieselbe Mischung aus Lagedenken und „reiner Politik“. Kein bisschen müde, obwohl wir mittlerweile die alte Tante unter den Zeitschriften rechts der Mitte sind. Zuletzt: Jeder im politisch-medialen Komplex kennt die Sezession, jeder unseren Komplex aus Namen, metapolitischen Formen, Bezügen, Grundsätzen, kurz: unser Netzwerk. 

Tagesstimme: Wenn Sie auf einen jungen, neugierigen Leser stoßen, der die Zeitschrift nicht kennen sollte: Wie würden Sie ihm die Sezession empfehlen?

Kubitschek: Wer lesen will, wie Leute schreiben, die nicht so tun als ob, muss Sezession lesen: Er wird ungeschmeidige, ehrliche, bissige, vergrübelte, widerborstige, desillusionierte, verlorene, wortkräftige und magnetische Autoren kennenlernen – darunter: vier Österreicher -, die bloß eines nicht sind: geschickt. 

© Sezession
Tagesstimme: Das Magazin ist im Jahr 2003 gegründet worden. Wie kam es dazu? Wie war die Lage?

Kubitschek: Criticón, die Großtante unter den rechten Zeitschriften, hauchte aus. Wir waren die Reinkarnation. Die Geburt fand in eine bleierne Zeit hinein statt: Die Früchte der Wiedervereinigung waren am Baum verfault, die linke Hegemonie so sehr zum Kotzen, dass wir dachten: Es muss auch für diejenigen Nahrung angeboten werden, die nach etwas anderem hungrig sind als nach dem Einheitsfraß. Und wir dachten, wir könnten diejenigen sein, die diese Nahrung zubereiten. 

Tagesstimme: 18 Jahre später: Was hat die Sezession bewegt? War es eine Selbstfindung oder hat der Geist, der hier weht, auch in die Gesellschaft oszilliert?

Kubitschek: Natürlich wissen wir nach dieser langen Zeit – länger als die Dauer der Weimarer Republik und als die des Dritten Reiches – sehr genau über uns selbst und unsere Bewegungsabläufe Bescheid. In die Breite geht das, was und geht die Art, wie wir schreiben, sowieso nicht. Aber über die AfD, diese große Tuba, hat man uns bis weit ins politische Feuilleton beim Nachdenken zuhören können, hat es tatsächlich auch getan. Nach dem anfänglichen Schock über unseren Sound ergriff die Zivilgesellschaft Abschottungsmaßnahmen. Nun müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht in der Rolle des Festgelegten gefallen. 

Tagesstimme: Das Magazin repräsentiert auch den intellektuellen Kosmos Schnellroda. Was kreist da alles um die Zeitschrift? Was macht den Zauber des gesamten Projektes aus?

Kubitschek: Der Ernst, die Konsequenz, das große Gelächter, die Unbestechlichkeit, das Existentielle, die Kreativität, die Gastfreundlichkeit und die Nähe zu denen, die uns lesen und zuhören wollen. Wir nennen das „erweitertes Verlegertum“. Legendär sind die Akademien mit 150 Studenten, die von unserem Institut zweimal im Jahr ausgerichtet werden. Allgemeingut sind auch die Buchreihen, die unser Verlag Antaios entwickelt hat. Und dann die Namen: Um jeden Autor, Redakteur, Kopf hat sich eine ganz eigentümliche Leserschaft gebildet. Das ist schon etwas Besonderes. 

© Sezession
Tagesstimme: „Ad multos annos“ pflegt man in unseren Kreisen zu wünschen. Wohin soll sich das Geburtstagskind bewegen? Oder reicht „Linie halten“?

Kubitschek: Halten reicht. Verlässlichkeit ist viel in einer Zeit, in der man ratlos auf die kommenden Monate und Jahre schaut. Wir hatten mal Plakate mit dem Spruch „Uns wird es immer geben“. Das klingt besser als: „noch 20 Jahre“, meint aber dasselbe: Wir werden den Beruf nicht mehr wechseln, darauf kann man sich verlassen.


Über den Interviewpartner:

Götz Kubitschek (Jahrgang 1970) stammt aus Oberschwaben und lebt mit seiner Familie seit Jahren im Süden Sachsen-Anhalts. Er studierte Germanistik, Geografie und Philosophie und gründete 2000 den Verlag Antaios. Seit 2003 ist er außerdem der verantwortliche Redakteur der Zeitschrift Sezession.

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