Urteil in Graz: Aus diesen Gründen sprach der Richter die Identitären frei

Am Donnerstagmorgen fielen die Urteile im Identitären-Prozess in Graz. In den Hauptanklagepunkten gab es Freisprüche für alle Angeklagten. Bemerkenswert ist auch die Begründung des Urteils. 
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Am zehnten und letzten Prozesstag in Graz gegen 17 Aktivisten und Sympathisanten der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) drehte sich alles um den Urteilsspruch des Richters. Nicht schuldig sind sämtliche Angeklagten – 16 Männer und eine Frau – der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§278 StGB) sowie der Verhetzung (§283 StGB). Lediglich zwei Personen wurden wegen Sachbeschädigung bzw. Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt – Die Tagesstimme berichtete.

Urteilsbegründung: „Im Kernbereich legale Tätigkeiten“

Der Richter begründete den Freispruch unter anderem damit, dass der Bedeutungsinhalt der beanstandeten Aussagen mehrdeutig sei. So stellte das Transparent am Dach der Parteizentrale der Grazer Grünen „keine Kritik am Islam, sondern an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus“ dar. Auch in Klagenfurt hätten die Angeklagten lediglich „auf Gefahren des politischen und radikalen Islam“ hingewiesen, welche zum Zeitpunkt der Aktion durchaus gegeben gewesen seien. Ein Slogan, welcher Integration als Lüge bezeichnete richte sich gegen „eine verfehlte Politik“, nicht gegen Integration an sich.

Da der Tatbestand der Verhetzung somit nicht erfüllt sei, gelte dies auch für die Frage der kriminellen Vereinigung: „Wenn eine Organisation im Kernbereich legale Tätigkeiten ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigung, auch wenn sich daraus Straftaten ergeben“, so der Richter. Die Sachbeschädigungen alleine begründeten keine kriminelle Vereinigung, schloss der Richter. Sachbeschädigungen einer kriminellen Vereinigung müssen nach dem Gesetzestext über einen geringfügigen Schaden hinausgehen.

Staatsanwalt: Angeklagte sind „Front von Feiglingen“

Bevor der Richter sein mit Spannung erwartete Urteil fällen konnte, gaben zunächst Ankläger und Verteidigung ihre jeweiligen Schlussplädoyers ab. Der Staatsanwalt erneute seine Vorwürfe und ging mit den Beschuldigten hart ins Gericht. Diese stellten sich als „Front von Gesetzestreuen dar“, würden aber „fortwährend Gesetzesbruch“ begehen. Es handle sich für ihn um „keine Front von Patrioten, sondern eine Front von Feiglingen“.

Der Ansicht des Staatsanwalts vermeide die Identitären „jede Differenzierung“, weil Hetze einfacher sei. Er bezeichnete die Beschuldigten außerdem als „Pseudomoralisten, die vorgeben, den Staat zu beschützen“. Die Beteiligung der einzigen weiblichen Angeklagten, welche erst kurz zuvor zur Gruppe gestoßen war, wertete er als Zeichen eines Umganges mit Personen „die man nicht als Elite sieht“ – und bezog sich dabei auf eine vermeintliche Hierarchie innerhalb der IBÖ.

Verteidigung sieht „Pervertierung des Paragraphen“

Der Verteidiger, welcher insgesamt für alle Angeklagten einen Freispruch von sämtlichen Vorwürfen beantragte, wollte diese Bewertung nicht akzeptieren. Diese stelle eine „Herabwürdigung der Angeklagten“ dar, einer derartige „Untergriffigkeit“ sei ein „Zeichen schwacher Argumente“. Belegt sei dies auch durch die „Pickerljagd“ der Staatsanwaltschaft. Beim Einbezug der nach eigenen Aussagen kaum an der Aktion in Graz beteiligten weiblichen Angeklagten in den Prozess handle es sich jedenfalls um eine „Pervertierung dieses Paragraphen“.

Auch den Tatbestand der Verhetzung sah er nicht erfüllt, und verwies auf die Aussage des kurdischen Lokalbetreibers in Feldbach, dieser verstünde im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft den Inhalt der Identitären-Parolen. Er erinnerte außerdem an die Hintergründe der radikal-islamistischen Vergangenheit eines Zeugen zur Aktion in Klagenfurt, es sei „unglaublich, dass so was einfach, quasi toleriert wird“. Die Angeklagten hätten jedenfalls „in keiner Weise […] nur annährend“ das Maß überschritten, damit auch keine Hetze begangen.


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