Polen: Junge Wähler sicherten konservativen Wahlsieg
Der Wahlsieg der polnischen Rechten war vor allem der Jugend zu verdanken: Mit Rekordbeteiligung und einer radikalen Ablehnung des Establishments stimmte diese Gruppe in großer Zahl gegen die Mitte-Links-Parteien.
Warschau. – Bei der Stichwahl zur polnischen Präsidentschaft am 1. Juni hat sich ein deutliches Signal der jungen Generation gezeigt: Laut Nachwahlbefragungen des Instituts OBOP trugen junge Wähler entscheidend zum Erfolg der rechten Opposition bei. Mit 76 Prozent lag die Wahlbeteiligung unter den Unter-30-Jährigen nicht nur weit über dem Schnitt der Über-60-Jährigen (64 Prozent), sondern stellte auch die zweithöchste Beteiligung aller Altersgruppen dar, wie Brussels Signal berichtet.
Unzufriedenheit mit Wohnsituation
Junge Polen im Alter von 18 bis 29 Jahren sehen sich besonderen Herausforderungen gegenüber. Sie kämpfen mit einem der höchsten Verhältnisse von Wohnkosten zum Einkommen in Europa, mit steigenden Mieten und Schwierigkeiten beim Zugang zu Hypotheken. Auch wenn die Arbeitslosigkeit insgesamt niedrig ist, stagnieren die Einstiegsgehälter. Hinzu kommen wachsende soziale Ungleichheiten, die von vielen jungen Menschen als Aufstiegshindernis empfunden werden. „Die Ungleichheiten betreffen nicht primär das Einkommen, sondern die Möglichkeit, die Karriereleiter zu erklimmen und die eigenen Erwartungen zu verwirklichen“, sagte OGB-Analyst Łukasz Pawłowski.
Protestwahl gegen das Establishment
Bereits in der ersten Wahlrunde am 18. Mai hatten junge Wähler ein deutliches Zeichen gegen die politische Mitte gesetzt. Zwar lag ihre Wahlbeteiligung damals bereits bei 73 Prozent, doch nur 24 Prozent stimmten für einen der beiden führenden Kandidaten: Rafał Trzaskowski, der von Premierminister Donald Tusk unterstützt wurde, oder Karol Nawrocki, der der PiS nahesteht.
Stattdessen erhielten zwei Anti-Establishment-Kandidaten die Mehrheit der Stimmen: 35 Prozent der Wähler entschieden sich für Sławomir Mentzen von der rechtslibertären Konfederacja, 20 Prozent votierten für Adrian Zandberg von der linken Kleinpartei Razem. Trzaskowski kam lediglich auf 13 Prozent und Nawrocki auf elf Prozent.
Konservative Narrative treffen Nerv der Jugend
Insbesondere die Konfederacja profitierte von ihrem jugendnahen Auftreten und einem 38-jährigen Kandidaten, der mit Forderungen nach niedrigen Steuern und weniger Regulierung vor allem bei jungen Männern punkten konnte. Auch Zandberg sprach gezielt Themen wie Wohnungsbau und Arbeitnehmerrechte an, die vielen jungen Wählern wichtig sind.
„Wir müssen das als einen Konflikt zwischen oben und unten begreifen“, erklärte Pawłowski. Der Wahlerfolg der neuen Rechten liege darin, dass sie den Begriff des Establishments neu definiert habe: nicht als „Reiche“ oder „Big Tech“, sondern als jene mit Einfluss. Dazu zählten aus Sicht vieler junger Menschen Großstädter, Mainstream-Medien und linke Aktivisten, „die sich auf Minderheiten statt auf Chancengleichheit konzentrieren“.
Rückschlag für die Mitte-Links-Parteien
Im Vergleich zur Präsidentschaftswahl 2020 stellt das Wahlergebnis eine dramatische Kehrtwende dar. Damals hatten noch 64 Prozent der Unter-40-Jährigen für Trzaskowski gestimmt, diesmal votierten 54 Prozent dieser Altersgruppe für Nawrocki. Dessen Image als politischer Außenseiter und Vertreter der gesellschaftlichen Unterschichten hat ihm dabei geholfen, junge Wähler zu gewinnen. Er habe nie für die Eliten gestanden, was es ihm unter jungen Leuten einfacher gemacht habe, erläuterte Pawłowski. Eine Negativkampagne, die ihn mit kriminellen Kreisen in Verbindung bringen sollte, sei deshalb ins Leere gelaufen.
Junge Generation fordert Politikwechsel
Die Umfragen zeigen deutlich: Junge Menschen wünschen sich eine Politik, die sich mit ihren konkreten Problemen wie Wohnungsnot, stagnierenden Löhnen und ungleichen Chancen beschäftigt. Dabei setzen sie zunehmend auf alternative Informationskanäle. Während Tusk und die PiS ihren Wahlkampf in traditionellen Medien führten, bevorzugten junge Menschen Online-Plattformen. „Junge Leute haben das Gefühl, trotz besserer Ausbildung und mehr Auslandserfahrung benachteiligt zu sein“, betonte Pawłowski. „Sie glauben, dass Aufstieg nicht nach Leistung vergeben wird – und sie wollen, dass sich das ändert.“
Laut Pawłowski ist der Trend zur Anti-Establishment-Wahl kein rein polnisches Phänomen. Auch in den USA und weiten Teilen Europas sei das Misstrauen junger Wähler gegenüber etablierten Parteien stark ausgeprägt. In Polen zeigte sich bei dieser Wahl jedoch besonders deutlich, dass der Wahlsieg der Konservativen ohne die Jugend nicht möglich gewesen wäre.