Die Grünen als wirklich deutsche Partei

Die Grünen werden immer beliebter. Nun regieren sie seit einem Jahr auch bundesweit mit. Sind sie mittlerweile im Parteien-Establishment angekommen?

Kommentar von
22.12.2022
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6 Minuten Lesezeit

Es ist das Jahr 2013 – die Grünen haben in der Bundestagswahl gerade einmal 8,4 Prozent erreicht. Sie galten als Verbotspartei, als spröde. Eine gewisse Annalena Baerbock ist Vorsitzende der Brandenburger Grünen. In Fotos aus der damaligen Zeit sieht man eine bleiche, eine farblose Baerbock, langes, unordentliches Haar, eine spießige Brille und sogar weiße Strähnen im Haar – geradezu blutleer.[1]

Heute ist das alles nicht mehr der Fall. Baerbock hat rosige, übervolle Wangen, die Lippen sind doppelt so groß wie noch 2013[2] – aber auch die Haare sind ein ordentlicher, ja konservativ-ordentlicher Bob, die Brille ist auch weg. Ein Stilberater war wahrscheinlich tätig. Eine vom Autor befragte Hautärztin vermutet mindestens Hyaluron in den Wangen, eine Nasenoperation, eine Lippenvergrößerung. Ihre Vermutung: „Sie ist komplett operiert. Hat viele Interventionen. Aber die Akne unter der Schminke sieht man noch.“ Die Grünen haben nicht mehr nur 8,4 Prozent in den Bundestagswahlen, sondern 14,8 Prozent und sind Regierungspartei. Die skandalumwitterte Landesvorsitzende Baerbock von 2013 ist nun skandalumwitterte Außenministerin. 2012 musste unter ihrer Ägide der Schatzmeister der Partei, Christian Goetjes, ins Gefängnis. Er hatte 270.000 Euro aus Parteigeldern für Prostituierte ausgegeben. 2021 waren die Umfragen der Grünen viel besser als diese 14,8 – da aber Frau Baerbock auch ihren Lebenslauf und ihr Buch skandalträchtig aufgehübscht hat, kam es nicht zu den bis zu 20 Prozent, die zuvor in den Umfragen aufgerufen wurden.[3]

Abgewähltes Grünen-Personal kommt immer irgendwo unter

Vieles, was für Annalena Baerbock gilt, gilt auch für die Grünen allgemein. Die Partei hat sich seit 2013 verändert, aufgehübscht, geschminkt – umoperiert. Es blieb natürlich immer derselbe Mensch und dieselbe Partei. Claudia Roth war 2013 noch das prominenteste Gesicht dieser Partei. Ja, „Ich kann gut Börek machen“-Claudia Roth. Mit ihr wären die heutigen Umfragewerte im 20-Prozent-Bereich und die heutige Regierung so nicht machbar. Das heißt natürlich nicht, dass die Grünen ihr Personal vergessen. Sie versorgen auch Roth, damit diese die Ruhe in der Partei nicht stört. Das ist etwas, was rechte Parteien lernen müssen, was aber aufgrund ihrer sozialen Isolation deutlich schwieriger ist. Die Parteien von CSU bis Linke – besonders die Grünen – können ihr gescheitertes, ihr abgewähltes Personal in bezahlten Stellen bei Unternehmen, Gewerkschaften, in Interessensgruppierungen oder Parteistiftungen unterbringen. Das vermeidet in den Parteien Unruhe, es gibt kaum große „Ich trete aus“-Zeitungsartikel und das Leckschlagen von internen Informationen durch unzufriedene Parteikollegen ist seltener.

Es gibt kaum was Schädlicheres als solche Abrechnungsartikel. Sie sind aber auch dadurch bedingt, dass die Alternative für Deutschland im gewissen Maße isoliert ist und daran leidet, dass eine Rückkehr in den Schoß der Gesellschaft und ins Arbeitsleben oft nur durch Distanzierungsorgien akzeptiert wird. Es braucht viel Mut und Standhaftigkeit, ja geradezu enorme Widerstandskraft, um sich nicht von der eigenen Partei zu distanzieren, obwohl man nicht mehr in Amt und Mandat ist.

Auch hier haben die Grünen einen interessanten Fall aus den vergangen zehn Jahren. Der baden-württembergische Ex-Agrarminister Alexander Bonde erhielt 2016 fatale Zeitungsartikel über eine vorgeworfene Vergewaltigung von einer Geliebten, inklusive Anzeige.[4] Die Erwähnungen des Vergewaltigungsvorwurfes sind nicht nur magisch verschwunden, Alexander Bonde wurde auch zurück in den grünen Schoß genommen und ist nach einer einjährigen Karenzzeit und Arbeit bei einer Öko-Strategieberatung im Jahr 2018 Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt – er wurde versorgt.[5] Auch eine rechte Partei muss lernen, ihrem abgehalfterten Personal einen Königsweg zu bieten.

Habeck und Baerbock - das „perfekte“ Duo

Die Grünen arbeiten inzwischen technisch sauber, die massiven Versprecher von Baerbock lassen sie in manchen feministischen Kreisen nur noch sympathischer erscheinen und werden von der Presse sowieso meistens verschwiegen. Die gesamte Vermarktungsstrategie von Baerbock und ihrem ehemaligen Spitzenkandidatenkollegen Robert Habeck ist aus einem Guss. Baerbock und Habeck gemeinsam sind attraktive Menschen, die man gerne anschaut. Das ist ein Fakt, der nicht bestreitbar ist und der auf die Bürger und Wähler einfach anziehend wirkt.

Auf den Plakaten der letzten Bundestagswahl und auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung spiegelt sich das wider. Während Verteidigungsministerin Lambrecht miesepetrig und unfreundlich dreinblickt, kann sich die grüne Regierungsmannschaft positiv absetzen. Nicht umsonst ist die SPD inzwischen teilweise hinter den Grünen in den Umfragen zurückgeblieben.

Die Grünen und der Ästhetizismus

Die Grünen sind eine tatsächlich sehr deutsch gewordene Partei. Nicht inhaltlich, doch zumindest optisch. Sie arbeiten mit einem Ästhetizismus der fast schon als konservativ bis rechts zu bezeichnen ist. Was sonst sind attraktive Menschen mit einer selbstbewussten Nachricht? „Bereit, weil Ihr es seid“ war dementsprechend der Leitsatz des vergangenen Wahlkampfes. Er könnte problemlos ein Schlachtruf einer Militäreinheit sein.

Ein zentraler Lehrsatz aus diesen Tatsachen ist: Auch als rechte Partei muss der Ästhetizismus ein äußerst wichtiger Schwerpunkt sein. Was nützen die besten Programme, die besten Politiker, wenn die Netzseiten hässlich, die Parteitage spröde und die Instagram- und TikTok-Seiten verwaist sind? Qualitativ hochwertige Videos, Grafiken und das In-Szene-Setzen ist keine Schande, sondern essentiell überlebenswichtig. Das kann man nicht nur an den Grünen sehen, sondern auch an konservativen bis rechten Parteien außerhalb Deutschlands wie die Vox in Spanien.

Der Griff in die Make-Up-Tasche

Auch in ihrer Kommunikation spielen die Grünen bewusst mit einem weiten Spektrum der politischen Meinung, ohne je ihre eigene Position zu verstecken – vernebelt wird sie. Sie überschminken ihre politische Akne bewusst, bis es nur ein Kenner und Hautarzt erkennt. Ganz im Stil von „Deutsche, wir können stolz sein auf unser Land – wählt Willy Brandt.“ fordert Wirtschaftsminister Habeck inzwischen einen „ökologischen Patriotismus“[6], wenn es darum geht, sich als Bürger dem Staat Habecks unterzuordnen, der die Strom- und Gasversorgung im Land zwar nicht sicherstellen kann, aber dafür den Wald vollstellen will mit Windrädern. Das weicht natürlich deutlich ab von dem nicht besonders staatstragenden, aber dafür umso ehrlicheren „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“-Sager aus Habecks Buch „Patriotismus – Ein linkes Plädoyer“[7] von 2010.

Wie linke Parteien kommunizieren

Thor von Waldstein analysierte in seinem 2015 gehaltenen, sehr treffenden und geradezu genialen Referat „Metapolitik und Parteipolitik“, welcher auf dem YouTube-Kanal „kanal schnellroda“ erschien, den 72er-Wahlkampf von Willy Brandt. Von Waldstein stellte fest, dass Brandt „den Anschein erweckte, dass es um mehr gehen müsse, als darum, den Wähler zu veranlassen bei der richtigen Partei sein Kreuzchen zu machen.“[8] Das trifft exakt auf die Kommunikation der linken Partei zu.

Die grüne Kampagne und ihre gesamte Kommunikationsstrategie will den Bürgern das Gefühl geben, ein „Teil der Zukunft“, Teil einer siegreichen und zukunftsträchtigen Gemeinschaft zu sein. Es gelingt. Der Deutsche lässt sich gerne mit Visionen führen. Im letzten Wahlkampf hieß der Titel eines Wahlplakates „Zukunft passiert nicht. Wir machen sie“. Der Text ist inhaltslos. Das Plakat passt in die Reihe von typisch deutschen Sprüchen wie dem nationalen „Wir sind nicht die letzten von heute, sondern die ersten von morgen“ oder in Willy Brandts „Wir schaffen das moderne Deutschland.“ Es entsteht die Stimmung einer Zukunftsgewandtheit – frei nach der DDR-Hymne „…und der Zukunft zugewandt.“


Zur Person:

Reimond Hoffmann ist 35 Jahre alt, Familienvater, Mitgründer der Jungen Alternative und AfD-Landesvorstand. Er macht seit 10 Jahren Haushalts- und Finanzpolitik.

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