Jugend gegen den Staat: USA sollen Proteste in Nepal finanziert haben
Nach dem Machtwechsel, den massiven Jugendprotesten und der neuen Führung verdichten sich in Nepal die Hinweise auf eine gezielte politische Einflussnahme von außen. Im Zentrum stehen dabei US-finanzierte Programme.
Durchgesickerte Dokumente deuten darauf hin, dass die Vereinigten Staaten vor dem gewaltsamen Machtwechsel in Nepal im September 2025 gezielt Jugendstrukturen aufgebaut und finanziert haben, wie das linke US-amerikanische Nachrichtenblog The Grayzone berichtet. Die Dokumente legen demnach nahe, dass Washington damit Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes nehmen wollte.

Geheime Programme zur Mobilisierung
Den geleakten Akten zufolge investierte die von den USA finanzierte National Endowment for Democracy (NED) erhebliche Mittel in die Schulung nepalesischer Jugendlicher. Dabei ging es unter anderem um „Strategien und Fähigkeiten zur Organisation von Protesten und Demonstrationen”. Federführend war das International Republican Institute (IRI), eine Unterorganisation der NED. Das Ziel bestand darin, ein Jugendnetzwerk aufzubauen, das ausdrücklich dazu bestimmt war, „zu einer wichtigen Kraft zur Unterstützung der Interessen der USA zu werden“. Laut internen Beschreibungen verband das Programm „engagierte junge Menschen mit politischen Führungspersönlichkeiten“ und bot ihnen „umfassende Schulungen dazu, wie man Kampagnen und Proteste startet“. Die geplanten Aktionen sollten sich auf vom Institut ausgewählte Themen konzentrieren. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die US-amerikanischen Anliegen in Bezug auf Nepals Demokratie gelöst werden.
Nepal als geopolitischer Schlüsselstaat
Im September 2025 erlebte Nepal massive sogenannte „Gen-Z-Proteste“, nachdem die Regierung Soziale Netzwerke gesperrt hatte. Bei den Ausschreitungen kamen mindestens 76 Menschen ums Leben. Kurz darauf trat Premierminister K. P. Sharma Oli zurück. Sein Nachfolger wurde per anonymer Online-Abstimmung bestimmt, an der weniger als 10.000 Discord-Konten teilnahmen.
Während viele Medien von einem friedlichen Aufstand sprachen, zeigten Videoaufnahmen auch bewaffnete Demonstranten. Auffällig war das massenhafte Auftreten der Piratenflagge aus der Anime-Serie „One Piece”, die bereits bei ähnlichen Jugendunruhen in anderen strategisch relevanten Ländern zu sehen war.
Laut den Unterlagen hatte Nepal für das IRI eine besondere Bedeutung. Das Institut lobte die „strategisch günstige geografische Lage“ des Landes zwischen China und Indien, durch die es zu einem „Kernbestandteil“ der US-amerikanischen Indo-Pazifik-Strategie werde. Junge Menschen sollten lernen, ihre Macht für politische Einflussnahme zu nutzen und auf nationale Entscheidungsprozesse einzuwirken. Laut Prognose wird die Wirkung dieser Programme „über die Laufzeit der Projekte hinaus“ reichen.
Frühere Protestbewegungen als Vorbild
Dem Institut dienten frühere Demonstrationen als Referenz. Diese hätten gezeigt, dass junge Menschen in der Lage sind, „die nepalesische Politik maßgeblich zu prägen und eine bedeutende Rolle zu spielen“. Dieser Erfolg sollte „aufrechterhalten“ und „ausgeschlachtet“ werden. Jugendliche sollten daher „Gelegenheiten und Plattformen erhalten, um umfangreiche, nachhaltige Netzwerke aufzubauen, mit denen sie gemeinsame Anliegen wirksam vertreten und als erfolgreiche Vorkämpfer für einen von den USA unterstützten demokratischen Wandel auftreten können“.
Die Rolle der NED und verdeckte Einflussnahme
Seit ihrer Gründung im Jahr 1983 wird die NED immer wieder mit Regimewechseln in Verbindung gebracht. Einer ihrer Mitbegründer gab offen zu, dass „ein Großteil dessen, was wir heute tun, vor 25 Jahren verdeckt von der CIA erledigt wurde“. Die Dokumente legen nahe, dass die Ereignisse in Kathmandu Teil einer langfristigen Strategie waren, um eine mit der US-amerikanischen Indo-Pazifik-Strategie kompatible politische Führung aufzubauen.
Ein zentrales Projekt trug den Namen „Yuva Netritwa: Paradarshi Niti” (Jugendführung: Transparente Politik). Es sollte jungen Führungskräften „erweiterte Möglichkeiten bieten, Dynamik für Jugendaktivismus aufzubauen und Druck auf politische Entscheidungsträger in Nepal auszuüben“. Zwischen 60 und 70 Teilnehmende sollten davon profitieren.
Geplant war der Aufbau von „Netzwerken aus Jugendaktivisten und politischen Führungspersönlichkeiten“, die mit „Fähigkeiten, Ressourcen und Plattformen zum Aufbau von Verbindungen“ ausgestattet werden sollten. Die Teilnehmer sollten lernen, politische Instabilität, Korruption und Gesetzgebung öffentlich zu thematisieren. Über Kampagnen und Proteste sollten sie die nepalesische Regierung dazu drängen, ihren Anliegen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die von den USA propagierten demokratischen Reformen voranzubringen.
Sobald genügend junge Führungskräfte gefunden würden, die US-amerikanische Werte „unterstützen und aktiv vertreten“, sollten sie mobilisiert werden, um „Kampagnen zu nepalesischen Themen von US-Interesse zu starten“. Ergänzend kam eine Akademie zum Einsatz, die als „ein IRI-Programm, das junge zivilgesellschaftliche Aktivisten und politische Führungskräfte zusammenbringt und ihnen die Fähigkeiten, Plattformen und Ressourcen vermittelt, um positive Veränderungen in ihren Gemeinschaften einzuleiten“ beschrieben wird.
Social Media als politisches Werkzeug
Die Teilnehmer sollten lernen, „Methoden zur wirksamen Verbreitung von Botschaften aus Kampagnen und Protesten“ anzuwenden, insbesondere über Soziale Medien und andere internetbasierte Werkzeuge. Es wurde erwartet, dass „die bemerkenswerten Ergebnisse der Kampagnen und Proteste immer mehr jungen Menschen bekannt werden und ihr Interesse an politischer Beteiligung wecken“.
Laut IRI zeigten interne Analysen, dass 90 Prozent der jungen Nepalesen als „politisch desinteressiert“ galten. Das Ziel bestand demnach darin, Führungskräfte auszubilden, die „die Entwicklung eines nachhaltigen, starken föderalen Staates unterstützen, der für die Indo-Pazifik-Strategie der USA von entscheidender Bedeutung ist“. Das Institut erklärte, es sei „in einzigartiger Weise darauf vorbereitet, seine Kontakte in der Zivilgesellschaft und in der Politik zu nutzen“.
Begleitend dazu wurden Schulungsunterlagen für Jugend-Empowerment-Workshops erstellt. Diese richten sich an Jugendliche, die „sowohl politisch organisiert als auch unorganisiert sind“, und sollen ihre Fähigkeit stärken, positive Veränderungen herbeizuführen, sowie ihre Führungsqualitäten entwickeln. Vermittelt wurden unter anderem die Themen öffentliches Auftreten, strategische Botschaften, Mobilisierung von Ressourcen, Kampagnen- und Protestmanagement sowie effektive Regierungsführung.
Ironische Erkenntnisse aus Studien
In einer Studie zur politischen Beteiligung Jugendlicher äußerten die Teilnehmer deutliche Kritik. Junge Menschen würden von Parteien „häufig benutzt und anschließend fallen gelassen“. Ein Teilnehmer erklärte: „Die Regierung beschließt Maßnahmen und die Jugend demonstriert dagegen.“ Ein Vertreter der Bibeksheel Sajha Party sagte, fähige junge Menschen würden aus der echten Politik herausgehalten und lediglich dazu benutzt, Demonstrationen und Unruhen zu verstärken. Jugendaktivisten kämpften auf der Straße und sicherten die Positionen der Anführer, hätten aber kein Mitspracherecht bei der Entwicklung ihres Landes.
Genau dieses Muster zeigte sich beim Umsturz im Jahr 2025. Auch die New York Times schrieb später, dass „Nepalesen aus allen Gesellschaftsschichten bereit waren, das System abzulehnen, für das sie jahrzehntelang gekämpft hatten“, es aber „keine klare Vorstellung davon gab, was als Nächstes kommen sollte“. Laut der Zeitung wurden fast alle Organe der Staatsmacht Opfer von Brandanschlägen. Der ehemalige König Gyanendra Shah unterstützte die Aufständischen offen.
Sollten die Programme des IRI tatsächlich zu einem Umsturz beigetragen haben, hätte Washington den Weg für eine neue politische Führung geebnet, die US-Interessen dient und sich hinter dem Erscheinungsbild jugendlicher Revolte verbirgt. Die Dokumente werfen somit erneut grundlegende Fragen zur verdeckten Einflussnahme der USA in strategisch sensiblen Staaten auf.



