WM-Aus in der Vorrunde: Typisch deutsch!

Die DFB-Elf ist zum zweiten Mal in der Vorrunde gescheitert. Das krachende Aus symbolisiert mehr als nur sportlichen Misserfolg. Es zeigt allen anschaulich: Deutschland ist überall nur noch Mittelmaß.
Kommentar von
2.12.2022
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4 Minuten Lesezeit

Es ist schon wieder passiert: Die Fußballnationalmannschaft der Deutschen hat sich bei einem wichtigen Turnier die volle Blöße gegeben – dabei ging mit man einem guten Bauchgefühl in das Turnier im orientalischen Katar. Schließlich war man sich sicher, dass man mit dem Ende der Ära Löw endlich die nötige Weiterentwicklung erreichen und den nächsten Schritt gehen könnte. Pustekuchen. Die Vorrunde offenbarte jedem Fußballfan auf der Welt, dass Fußballdeutschland strukturelle Schwächen hat. Dabei zeigt das Beispiel DFB symbolisch den Niedergang der einst stolzen Nation Deutschland. Aber beginnen wir zuerst mal mit dem Sportlichen.

Zu einer Weltmeisterschaft wird jeder Bundesbürger gewiss schnell zum Nationaltrainer, jeder ist sich der perfekten Aufstellung sicher. Während früher der Freund des Ballsportes den Kopf schüttelte – mal spielte man mit vier Innenverteidigern, mal setzte man Lahm ins defensive Mittelfeld – konnte doch der Weltmeistertrainer lange mit den passenden Erfolgen aufwarten, sodass die Kritik ins Leere ging. Diesen Hinweis auf Titel oder gutes Spielen kann Flick nicht mehr machen. Die gestrige Aufstellung gegen Costa Rica war ein totaler Widerspruch in sich: Man ließ Kimmich als rechten Außenverteidiger spielen. Die Folgen waren abzusehen – zusammen mit Linksverteidiger David Raum gab es viele hohe und scharfe Flanken von der Seitenlinie, aber dafür weniger Chipbälle aus dem tiefen Spielfeldraum. Im Strafraum befand sich aber kein Abnehmer. Ich könnte noch einige weitere Beispiele für die komischen Aufstellungen Flicks nennen. Selbst der erfolglose, aber in Fußballthemen bewanderte Lothar Matthäus konnte es nicht zurückhalten: „Flick hat sich vercoacht!“.

Flick und Merkel

Im Handeln Flick zeigt sich ein typisch deutsches Phänomen der letzten Jahrzehnte. Man hält gerne am Bewährten fest: Während der Wähler weiterhin Union und Sozialdemokratie wählt, ließ Flick Müller spielen, der in drei Spielen nicht abliefern konnte. Es ist wahrlich ein Paradoxon: Man sieht die Erfolgslosigkeit, man spürt wortwörtlich den Fehler, aber man macht einfach so weiter. „Keine Alternativen!“ – das könnte aktuell das Motto der Deutschen sein. Denselben Fehler immer wieder zu machen und sich den Fakten zu entziehen – das mag mittlerweile typisch deutsch sein, sei es im Fußball oder in Politik.

Auch das Handeln der Verantwortlichen Flick und Bierhoff, seinerseits Geschäftsführer und Entscheider der DFB-Elf, zeigt das angesprochen deutsche Phänomen: Beide wollen an ihren Posten festhalten. Beide sehen keinerlei gerechtfertigte Kritik an ihnen, beide möchten Deutschland zum Sieg der EM 2024 in der Heimat führen. Kein Gefühl für Verantwortung, keinerlei Gespür für ein überlaufendes Fass – kennt man das nicht irgendwoher? Man muss nur in die Zeitungen schauen: Ein Oberbürgermeister aus Frankfurt am Main, der sich erst sprichwörtlich aus dem Amt wählen lassen muss, weil er nicht den Hut nehmen will. Eine Oberbürgermeisterin in Berlin, die bei ihrem Doktortitel betrog und keinerlei Konsequenzen zog, auch nicht, nachdem ihr Bundesland vollkommen bei einem wichtigen Akt der Demokratie, der Wahl, versagte. In Deutschland will niemand mehr die Konsequenzen für sein Handeln übernehmen.

Zum Festhalten am Altbewährten und mangelndem Bewusstsein für Verantwortung kommt aber noch die typische Arroganz. Man wusste seit langer Zeit, dass die FIFA die Regeln vorgeben wird, trotzdem kümmerte man sich nicht um das Thema der „One Love“-Armbinde und fiel kurz vor Turnierbeginn mit der Tür ins Haus. Man war sich sicher: Wir sind die Guten, wir haben recht! Also kündigte man unabgesprochen die besagte Armbinde an, um dann eine peinliche Niederlage zu kassieren und sich in symbolischen Gesten zu erschöpfen. Man war Moralweltmeister, gewiss – aber damit gewinnt man keine Titel. Auch nach dem Spiel gegen Spanien tönte man groß „Wir sind weiter!“, man war sich sicher, dass man Costa Rica leicht schlagen wird, nur um dann später Spanien als Verräter zu beschimpfen – weil sie gegen Japan verloren. Wie Deutschland am ersten Spieltag.

Diese DFB-Elf passt zu Deutschland

Aber das ist nicht alles. Die Probleme liegen seit Jahren offen auf dem Tisch, die Alternativen sind bekannt. Bezüglich DFB wären das zum Beispiel eine andere Nachwuchsausbildung – mehr Fokus auf Charakter und Persönlichkeit, Ausbildung von klassischen Stürmern, mehr Sport als Politik. Aber man ignorierte die Warnungen der Kassandra-Rufer. Jeder wusste, dass Klose irgendwann in Rente gehen wird, jeder wusste, dass nach Gomez, Wagner und jetzt Füllkrug angemessene Nachfolger benötigt werden – aber man handelte nicht. Jetzt hat man viele starke Individuen und gute Athleten – aber keine Mannschaft. Die Parallelen zur Atomisierung und Entfremdung der deutschen Gesellschaft lasse ich jetzt mal unangesprochen.

Die DFB-Elf ist somit ein anschauliches Beispiel, um ein größeres Phänomen darzustellen: den Abstieg Deutschlands. Früher Fußball-Weltmacht, heute Mittelmaß und Vorrundenaus. Früher ein wirtschaftlicher und politischer Gigant, heute ein taumelnder Riese. Früher ein bewundertes und respektiertes Land, heute Hohn und Spott für moralinsaure Deutsche. Früher eine kämpferische Mannschaft, die eine Einheit war, heute eine Bevölkerung aus 82 Millionen Individuen. Man macht aber so weiter wie früher und ignoriert sämtliche Fakten.

Die DFB-Elf passt perfekt zu Deutschland. Ein Blick auf die Politik zeigt jedoch, dass man sich die EM 2024 wahrscheinlich abschminken kann – schließlich ignoriert man auch die AfD, die genauso seit Jahren Lösungen und Alternativen anbot. Es wird weiter gewurschtelt, während man Kritik ignoriert und auf seinen Posten sitzen bleibt. Mit voller Fahrt voraus auf den Eisberg – in Sport und Politik. Oder kann man die Niederlage der DFB-Elf auch als Hinweis auf einen Crash des politischen Systems verstehen – wer weiß das schon?


Zur Person:

Bruno Wolters (Jahrgang 1994) hat Philosophie und Geschichte in Norddeutschland studiert. Gemeinsam mit Erik Ahrens gründete er im Sommer 2020 das konflikt Magazin, ein konservatives Onlinemagazin für Berichterstattung aus Politik und Gegenkultur. Im Jahr 2021 folgte das Buch Postliberal im Verlag Antaios. Wolters Interessensgebiete sind Ideengeschichte und politische Philosophie.

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