Ukrainischer Oppositions-Politiker: Endlich den Weg zum Frieden einschlagen!

Viktor Medvedchuk, einer der großen Widersacher des ukrainischen Präsidenten Selenskyi, hat sich mit einer Analyse aus seinem Zwangsexil zu Wort gemeldet. Er formuliert drei Voraussetzungen, um den Ukrainekonflikt zu entschärfen.

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13.10.2023
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Ukrainischer Oppositions-Politiker: Endlich den Weg zum Frieden einschlagen!
Ein Soldat begutachtet eine zerstörte Straße / Viktor Medvedchuk© Duma.gov.ru, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons / IMAGO / ZUMA Wire

Die erste Voraussetzung ist die Anerkennung der Interessen und der Souveränität der Länder, die nicht dem Westen angehören. Russland muss, wie jedes andere Land auch, Garantien haben, dass es nicht Opfer einer militärischen Intervention wird, um „Demokratie zu exportieren“. Mit der Begründung, Staaten seien undemokratisch und müssten „bekehrt“ werden, wurden in den letzten Jahren viele militärische Interventionen gerechtfertigt.

Die zweite und wichtigste Bedingung: Menschenleben haben absoluten Vorrang vor allen politischen und wirtschaftlichen Interessen. Die Ukraine ist zu einem Staat geworden, in dem Menschenleben, Bürgerrechte und Bürgermeinungen keine Rolle mehr spielen. Natürlich wird versucht, alles mit der Ausnahmesituation des Krieges zu erklären.

Vergessen wir nicht: In der Ukraine, einem der korruptesten Länder der Welt, wird man für eine falsche Überzeugung ins Gefängnis geworfen. Die Werte des Westens wurden vor dem Krieg und werden auch jetzt mit Füßen getreten. Der Krieg wird missbraucht, um die Ukraine innenpolitisch zu säubern.

Selenskyj hat mit seinem politischen Kurs bewiesen, dass ihm der Tod und die Entbehrungen der ukrainischen Bürger schlicht egal sind. Er formuliert ehrgeizige militärische und politische Ziele, die selbst im Westen Stirnrunzeln hervorrufen. Der Westen versorgt ihn dennoch großzügig mit Waffen und Geld – das Leben ukrainischer Bürger ist in diesem Spiel nichts wert.

Die dritte Voraussetzung für Entspannung muss die Einsicht sein, dass die Welt längst an einer gefährlichen Grenze angekommen ist. Die so genannte Abschreckung durch Waffen funktioniert nicht mehr. Im Gegenteil. Wir müssen uns entscheiden, was wichtiger ist: der Verkauf und die Förderung westlicher Waffen oder die internationale Sicherheit. Heute wirkt der Ukrainekonflikt wie eine Reputationsmesse für westliche Waffen. Alle warten darauf, dass die Ukraine Munition erhält, mit der sie ihre Ziele erreichen kann. Es gibt viel Werbung und Lob für diese Waffen, aber dann stellt sich heraus, dass das alles nicht ausreicht. Dann wird die nächste Eskalationsstufe der militärischen Ausrüstung gefordert: von der Panzerfaust zum Panzer, von der Gewehrmunition zum Flugabwehrsystem, vom Stahlhelm zur Drohnenflotte. Ein Ende ist nicht in Sicht.

All dies nützt dem militärisch-industriellen Komplex des Westens, schafft Einkommen für Waffenhändler und verletzt das bisherige internationale Sicherheitssystem empfindlich. Denn je mehr gefährliche Waffen eingesetzt werden, desto mehr Menschen werden sterben und desto katastrophaler werden die Folgen sein. Diese Tendenzen haben das internationale Sicherheitssystem bereits an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, vor allem weil die meisten westlichen Politiker die Verantwortung für die Folgen militärischer Aktionen nicht übernehmen wollen. Moskau ist schuld, so die Doktrin, man verteidige sich ja nur.

Dieses Szenario hat jedoch einen gravierenden Fehler. Wenn der militärische Erfolg ausbleibt, wird es kein Entkommen aus der Verantwortung geben. Wer das nicht glaubt, sollte sich Selenskyjs jüngste Äußerungen ansehen. Bis vor kurzem verkündete er jeden Tag den bevorstehenden Sieg, doch in letzter Zeit hat er seine Ambitionen drastisch zurückgeschraubt und begonnen, dem Westen mangelnde Hilfe vorzuwerfen. Mit anderen Worten: Er hat begonnen, die Hand zu beißen, die ihn bisher gefüttert hat.

Die Opposition in der Ukraine schweigt aus Angst vor Repressalien. Niemand interessiert sich für ihre Meinung. Viele Parteien wurden und werden verboten. Niemand ist willens oder in der Lage, die Ukrainer zu fragen, ob sie weitere Opfer wollen, ob sie blind den Befehlen des Präsidenten folgen oder ob sie einen Weg zum Frieden finden und das Leben unschuldiger Menschen retten wollen. Gerade die Beendigung des unseligen Konflikts durch diese drei Voraussetzungen ist das dringende Gebot der Stunde.


Zur Person:

Viktor Medvedchuk ist ein ukrainischer Unternehmer, Anwalt und Politiker, der im russischen Exil lebt. Er betrieb unter anderem drei Fernsehsender in der Ukraine und engagierte sich dort für Oppositionsplattform – Für das Leben, die größte pro-russische Partei der Ukraine, die auch als EU-skeptisch gilt.

 

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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