Wien. – Auf diesen während der Abschlusskundgebung geworfenen Flugblättern stand unter anderem der Satz „Ein Mann bleibt ein Mann, eine Frau bleibt eine Frau, eure Propaganda bleibt Abfall“. Diese Aussage wertet die Justiz laut der Aktivisten-Zeitung Heimatkurier als „transgenderfeindlich“. Am gestrigen Montag fand laut dem Portal der erste Prozesstag statt, ein Urteil fiel wegen der Verhinderung eines Zeugen vorerst nicht. Angeklagt sind nun drei Aktivisten – und zwar wegen des umstrittenen Verhetzungsparagraphen. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Auf den Flyern kritisierten die Aktivisten seinerzeit zudem: „Die Agenda beginnt mit „Prideparaden‘ und endet mit ‚Transkindern'“. Die allgegenwärtige „Cancel-Culture“ mache daraus eine „totalitäre Zivilreligion“. Man habe jedoch keine Angst vor den „Hohepriestern und Zensoren dieses Kultus“. Wien sei „keine ‚Regenbogenstadt‘, sondern bleibt Bastion Europas.“ Dort sähe man lieber Militärparaden als Prideparaden und lieber Landesfahnen statt Regenbogenfahnen: „Unser Stolz gilt der Heimat und wir verachten euren ‚Pride‘.“ Damit spielten sie auf die deutsche Übersetzung des Wortes „Pride“ an.
In einem Video erklärt ein rechter Aktivist aus Wien, worin man das Problem in der Veranstaltung sehe: „Zur Schau gestellt wird dort alles, was dem traditionellen Familienbild widerspricht“. Dort würden sich nicht nur Schwule, Lesben und Transsexuelle treffen, sondern „auch viele, die einfach ihren sexuellen Fetisch der Öffentlichkeit unter die Nase reiben wollen.“ Er ruft zur patriotischen Solidarität auf, um die Prozesskosten zu decken (IBAN: DE62 1001 1001 2629 4883 75, BIC: NTSBDEB1XXX).
Im Ernstfall könnte den Beschuldigten eine empfindliche Strafe drohen – auf Verhetzung stehen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Der Heimatkurier problematisiert in seinem Artikel den Paragraphen in seiner aktuellen Form, der eine „einzige Zumutung“ und „eine Gefahr für die freie Meinungsäußerung“ sei. Eine „schwammige und nicht spezifizierte Formulierung“ des Gesetzes überlasse es dem Richter, „nach seinen eigenen politischen Vorstellungen Recht zu sprechen“. Aussagen, die noch vor wenigen Jahren „völlig harmlos“ gewesen seien, könnten plötzlich strafrechtlich relevant sein.
Nach Wortlaut des Gesetzes kann Verhetzung in einem von mehreren Fällen eintreten: Etwa, wenn zu Gewalt oder Hass gegen eine geschützte Gruppe aufgerufen wird. Auch die Beschimpfung auf eine Art und Weise, die geeignet ist, eine solche Gruppe in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, kann strafbar sein – und zwar exakt dann, wenn die Absicht die Schädigung ihrer Menschenwürde ist. Ein Richterspruch aus dem Vorjahr stellte heraus, dass diese Absicht zwingend vorhanden sein muss, um den Tatbestand der Verhetzung zu erfüllen.
Immer wieder wird der Verhetzungsparagraph in Österreich gegen Dissidenten in Stellung gebracht. So etwa beim Grazer Mammutprozess gegen mehrere Aktivisten der Identitären Bewegung im Jahr 2018 – Tagesstimme berichtete tagesaktuell von der Verhandlung. Auch gegen den Demo-Organisator Martin Rutter versuchte man ihn in Stellung zu bringen, weil eine Rednerin bei einer seiner Veranstaltungen eine Regenbogenfahne mit einem Herzsymbol zerriss, weil sie diese mit einer „Pädophilen-Flagge“ verwechselte.
In beiden Fällen kam es letztinstanzlich zu einem Freispruch – der in Österreich sehr oft aber dennoch mit Unkosten verbunden ist, den die gerichtliche Entschädigung nicht abzudecken vermag. Wie es bei den jungen Wienern ausgeht, entscheidet sich erst. Das hält einige Medien nicht davon ab, den Prozess so zu schildern, als sei der Vorwurf der Verhetzung bereits erwiesen. Die Krone begann ihren Artikel zudem mit einem Framingversuch: „Sie sind propere – um nicht zu sagen stramme – junge Männer: Der typische Haarschnitt gemahnt an dunkle Zeiten, die Sprache leicht nasal, aber forsch.“
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